Yuri - Musik in meinem Alltag

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13.10.2014

Das war vor 4 Monaten. Ich hänge das Foto wieder an seinen Platzt an meine Brombeerfarbende Wand, wo ich es kurz zuvor nach dem Aufwachen abgenommen hatte. Meine Lippen haben sich unwillkürlich zu einem sanften Lächeln verzogen. Es ist nur eins von unzählig vielen. Ich habe die verschiedensten Momente festgehalten, Geburtstage, Lichtungen in der Abenddämmerung, Ausflüge mit Freunden und Familie, flüchtige Erinnerungen, die mir eine Geschichte erzählen und ein Lächeln auf die Lippen zaubern sollen, wann immer ich eines von ihnen betrachte. Das geschieht relativ häufig.

Ich verbringe viel Zeit in meinem Zimmer und habe es mir dementsprechend gemütlich eingerichtet. Wir leben in einem kleinen Vorort Seoul's und da ich als Einzelkind in eine Familie mit relativ viel Geld geboren worden bin, habe ich ein riesiges Zimmer abgestaubt. Es ist wirklich groß.

Nachdem man reinkommt bemerkt man als erstes den riesigen flauschigen weißen Teppich der auf den Holzdielen liegt. Von der Decke hängt ein weiß-silberner Kronleuchter. An der linken Wand in der hinteren Ecke steht ein großes Doppelbett mit einem Haufen Kissen. Unzählig viele Fotos zieren die beiden Wände die in einem warmen Brombeerton gestrichen sind. Neben dem Bett steht ein kleiner Nachttisch aus weißem Holz, auf dem meine Kamera und mein Ipod ihren Platz gefunden hatten. Durch ein großes Bodentiefes Fenster daneben, das auf einen kleinen Balkon hinausführt, fällt das Sonnenlicht eines Herbstmorgens der verspricht herrlich warm zu werden. Rechts davon führt ein alte Wendeltreppe aus Holz hoch zu einer offenen Galerie, das Treppengeländer und das der Galerie sind mit Lichterketten umwickelt. Die Größe der Galerie beträgt vielleicht 15m². An den Wänden stehen Decken hohe Holzregale gefüllt mich hunderten von Büchern und CDs.

Der Boden ist ebenfalls aus Holzdielen gefertigt. Ein großes rundes Fenster mit einer Sitzfensterbank, auf der sich viele weiche Decken und Kissen auftürmen und auf der locker 2 Erwachsene Menschen Platzt gefunden hätten, spendet Licht. In der rechte Ecke vor dem offenen Galeriegeländer steht eine kleiner runder Tisch den sich eine Nachttischlampe, für verregnete lese Tage, mit einem Radio teilt. Die Galerie wird von 2 Holzbalken getragen, so dass darunter noch eine Tür, die zu einem begehbaren Kleiderschrank führt, ein kleiner Schreibtisch und der dazu passende Stuhl, beide aus weißem Metall, vor einen Fenster Platz finden.

Ich liebe mein Zimmer. Es ist meine Sicherheitsszone da wo ich völlig ich bin. Ich wollte ein Stück Vertrautheit schaffen, denn selbst nach 4 Monaten in Korea fühle ich mich noch nicht zuhause hier. In der Schule bin ich meist allein. Es ist nicht so als würde ich die Sprache nicht verstehen oder die anderen hätten nicht versucht mich einzubeziehen, im Gegenteil sie haben sogar reges Interesse an mir und meiner Geschichte gezeigt. Das ich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, hat mich aber eher genervt als das es mir gefallen hätte.

Ich habe mir Mühe gegeben mich einzugliedern! Keine Frage, aber nachdem ich ein paar mal mit einigen Mädchen aus meiner Klasse zusammen gegessen habe, kann ich aus Überzeugung sagen, dass ich meine wenige Freizeit doch liebe mit etwas für mich sinnvollem füllen will.

Die einzigen Themen die diese Mädchen kennen, sind wie gutaussehend die einzelnen Member sind, wer was zu wem gesagt hat, und wo sie ihre Klamotten gekauft hatten. Das waren einfach keine Themen über die ich mitsprechen konnte, geschweige denn wollte. Letztendlich fand ich mehr durch Zufall als alles andere, meinen Lieblingsplatz in, oder besser gesagt auf der Schule an dem ich jede freie Minute verbringe. Das Dach. Dort oben unter dem strahlend blauen Himmel eines warmen Herbsttages fühlt man sich frei von allen Sorgen und Pflichten und man hat einen fantastischen Ausblick über den Großstadtjunggel Seoul's.

Dieser Ort ist ähnlich wie mein Zimmer ein Rückzugsort, mein eigener Platz in der Welt, an dem ich sein kann wie ich bin. Dort bekomme ich die Stille die ich brauche um zu lesen oder die innere Ruhe die ich nötig habe wenn ich singe, aber auch den Frieden und die Aufregung die ich empfinde wenn ich mich mal wieder von meiner Musik in irgendwelche Traumwelten tragen lasse. Ich werfe mich aufs Bett und erinnere mich an den Tag meiner Anreise zurück.

Nachdem der mysteriöse Junge verschwunden war und meine Mutter, der ich es übrigens auch zu verdanken hatte das ich fließend koreanisch spreche ('freiwilliger' Sprachkurs nach langem Betteln meiner damals ohnehin schon niedergeschlagenden Mutter), den Koffer verladen hatte, fiel mir auf der Heimfahrt auf, das er mich bei meinem Namen gerufen hatte und ich bin bis heute verwirrt woher er den wusste.

Mein Blick fällt erneut auf das Foto von ihm und mir. Mitten auf der Autobahn nach Seoul klingelte plötzlich mein Handy und als ich nachschaute, hatte mir eine unbekannte Nummer ein Foto über Bluetooth geschickt. BLUETOOTH! Wie altmodisch! Das nutze ich sonst nie aber als ich mein Handy nach dem Flug wieder eingeschaltet hatte war das wohl mit in den Grundeinstellungen gewesen. Ich öffnete also die Datei und staunte nicht schlecht als mir mein eigenes Gesicht entgegen sah und direkt neben mir der mysteriöse, hormongesteuerte Mr. Saudämlicher Anmachspruch. Eigentlich hatte ich vor das Foto direkt zu löschen, leider gab es eine Funktionsstörung und meine Finger gehorchten weder meinem Gehirn noch der Stimme der Vernunft und so blieb das Foto erstmal bestehen. Gibt es so etwas wie kurzzeitige Lähmung der Nervenbahnen?

Na ja jedenfalls erklärt das noch nicht wie dieses verfluchte Foto den Weg an meine Wand gefunden hat. Das ist im Prinzip ganz simpel. Da ich es weder unterlassen konnte alle 20 Minuten auf mein Handy zu schauen, noch mich dazu überreden konnte es zu löschen war die Konsequenz ein konstant leeres Akku. Das wiederum hatte zur Folge das ich in meinem tägliche Tagesablauf nicht wie üblich Musik hören und so die Welt aussperren konnte, ganz zu schweigen von unzähligen Moralpredigten meiner Mutter wie gefährlich es sei nicht erreichbar zu sein als junges Mädchen in einer großen neuen Stadt.

Einmal musste ich mich beim Einkaufen sogar mit einer älteren Dame unterhalten, da wiederholtes einschalten meines Handys zum Absturz geführt hatte. Verräterisches Ding! Nach 2 Wochen war ich schließlich so entnervt gewesen das ich kurzfristig beschloss das Foto einfach auszudrucken und an meine Wand zu hängen. So war wenigstens mein Handy vor spontanen Hormonanfällen meinerseits geschützt. Ich hoffte die unerklärlich Anziehung die von dem Foto ausging würde mit der Zeit nachlassen, aber es ist wie ein Zwang, ich komme einfach nicht drumherum es anzuschauen und ertappe mich immer wieder dabei wie mein Blick in Richtung Bild gleitet. Das es direkt neben dem Kopfende meine Bettes hängt verbessere die Situation nicht gerade.

Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und stehe endgültig auf, wenn ich noch länger so trödele und meinen Gedanken nachhänge würde ich noch zu spät zur Schule kommen.Ich öffne meine Zimmertür und gehe in das direkt gegenüberliegende Bad. Da ich das Bad für mich alleine habe und früh genug aufgestanden bin nehme ich mir Zeit und lasse das heiße Wasser ohne mich zu Bewegen auf meinen Körper prasseln. Leise summend lasse ich meinen Gedanken freien Lauf.

Ich lebe unter dem Dach und habe im Prinzip die komplette obere Etage für mich alleine. Nach einer gefühlten Ewigkeit steige ich aus der ebenerdigen Dusche und trockne mich schnell ab. Ich putze mir die Zähne und Creme mein Gesicht ein. Der blick in den Spiegel zeigt keine Besonderheiten, bis auf das kleine Schmunzeln in meinem Mundwickel, dort wo der kleine Schöhnheitsfleck sitzt. Kurzfristig entscheide ich mich aus einer unerklärlich guten Laune raus heute ein bisschen Wimperntusche aufzutragen.

Ich schminke mich sehr selten aus den ganz einfachen Grund das ich, ersten dieses Chemiezeug nicht mag, zweitens nicht einsehe stundenlang vor dem Spiegel zu stehen um mich zurecht zu machen und das dann im Endeffekt doch sehr wahrscheinlich wieder von einem Windstoß oder einem Regenschauer zerstört wird und drittens habe ich von Natur aus dunkle und lange Wimpern die meine Augen betonen. Meine Augen sind das einzige Merkmal das ich an mir mehr als nur ganz okay finde.

Ich beschließe meine langen Haare heute so trocknen zu lassen und gehe zurück in mein Zimmer. Ist ja nicht so als hätte ich ein Date,... jemals haha. Ein blick auf den Wecker, der genau 7:00 Uhr anzeigt, verrät mir das ich noch 40 Minuten Zeit habe bevor ich los muss. Ich gehe unter der Galerie zu der Tür die in meinen Kleiderschrank führt und ziehe meine Schuluniform an. Fertig angekleidet betrachte ich mich im Spiegel.

Wie schon die letzten 4 Monate stecken meine Beine in schwarzen Kniestrümpfen und an meinen Füßen trage ich ebenso schwarze Ballerinas. Außerdem trage ich einen Weinrot-schwarz-karierten Rock der bis zur Mitte meiner Oberschenkel reicht und einen schwarzen Blazer dazu, auf dem in Weinrot das Emblem meiner Schule gestickt ist. Darunter trage ich eine in den Rock gesteckte Reinweiße Bluse. Fehlt nur noch die Weinrote Krawatte, die leider zur Pflichtausstattung in unserer Schule gehört.

Mittlerweile sind auch meine Haare getrocknet und fallen in großen wellen bis zur Mitte meines Rückens runter. Ich rücke meine Krawatte zurecht (mit sowas sind die hier extrem Pingelig) und werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. So würde es gehen müssen. Ich schnappe mir meine schwarze aus Leder gefertigte Schultasche (de letzte Schrei hier laut meiner Mutter), die ich schon am Abend zuvor gepackt hatte. Ein erneuter Blick auf die Uhr verrät mir das ich noch 20 Minuten zeit habe um zu Frühstücken. Hoffentlich gibt es nicht wieder Reis, denke ich und verziehe das Gesicht. Auch nach einigen Monaten und viele Morgen die ich hier nun schon verbringen musste, kann ich mich einfach nicht mit der Tatsache anfreunden das man hier Reis zum Frühstück isst. Aber meistens esse ich eh mein Schoko Müsli oder schmiere mir Brote.

Ich stürme die Treppe herunter. Überall in unserem Treppenhaus hängen Zeichnungen und Skizzen von allerlei Kleidungsstücken und Fotos von einigen Modenschauen inklusiver super dünner und natürlich makelloser Models. Meine Mutter arbeitet bei einer relativ erfolgreichen Internationalen Modesignerin, Standorte zu wechseln ist daher (zu meinem Leidwesen) ein Klacks. Die meiste Arbeit macht sie eh von zuhause in Form von neuen Entwürfen etc., das also, als ich die Küche betrete der ganze Küchentisch voller neuer Skizzen und bekritzelter Zettel mit Notizen liegt, ist nichts neues für mich.

Meine Mutter sitzt tief gebeugt über eine ihrer Skizzen und fährt mit dem Kohlestift wie in Trance über das Papier. Einige ihrer Strähnen haben sich aus ihrem unordentlichen Zopf gelöst und fallen ihr ungebändigt ins Gesicht. Sie sieht Müde aus. Schätze sie arbeitet wieder an einer neuen Kollektion, dann bleibt sie oft bis tief in die Nacht auf um ihre Bilder und Kleidungsstücke zu vervollständigen. „Morgen Mom“, rufe ich fröhlich und gebe ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. „Yuri, mein Liebling. Du bist ja schon für die Schule fertig. Ist es schon so spät? “, ruft sie erstaunt und springt auf. Fahrig fährt sie sich übers Gesicht und hinterlässt dabei eine Kohlespur auf ihrer Wange. „Ich wollte dir doch noch Frühstück machen“ sagt sie bedauernd und eilt hektisch zum Kühlschrank.

Meine Mutter ist ein ziemlich chaotischer Mensch und vergisst ziemlich viele Sachen, aber das macht sie keinesfalls zu einer schlechten Mutter. Wenn ich sie brauche ist sie immer für mich da und unterstützt jede meiner Entscheidungen. Allein schon deswegen verzeihe ich ihr ihre Fehler gerne. Meine Mutter und ich haben ein gute Verhältnis. Ich meine, mit mir hat sie es bestimmt auch nicht immer leicht. Längst hab ich ihr verziehen das sie mich mit nach Korea geschleppt hat, was aber nicht bedeutet das ich vollends zufrieden mit der Situation bin oder meine Pläne aufgegeben habe nach Beendigung der Oberstufe zurück nach Deutschland zu gehen. Wie schon gesagt ich lasse es über mich ergehen und versuche es meiner Mutter, die mit ihrem stressigen Job schon genug um die Ohren hat, nicht noch schwerer zu machen.

„Schon okay, Mom. Ich hab eh kein großen Hunger“, sage ich und nehme mir einen Apfel aus der Obstschale von unserer Marmortheke. „Aber dann mach ich dir wenigstens noch was für die Pause“, erwidert sie mit einem tadelnden Blick. „In Ordnung“, gebe ich mich geschlagen. Sie holt das Brot raus und fängt gerade an mit dem Messer Butter darauf zu verteilen als ihr Telefon klingelt. Nach einem kurzen Blick auf den Display sagt sie über die Schulter an mich gewandt: „Das ist die Boutiqenbesitzerin, da muss ich ran gehen. Kannst du dein Brot selber zu ende schmieren?“ und schon ist sie am Hörer und wechselt so schnell zwischen den Sprachen das mir ganz schwindelig wird. Das war's dann wohl mit dem gemachte Frühstück denke ich mir und stehe mit einem kleinem Seufzer auf den Lippen auf.

Ich gehe um die Kücheninsel herum und stelle das Radio ein. Es werden gerade alte Charts gespielt. Zu Anastacia's – Stupid Little Things, tanze ich laut singen zu meinen Broten zurück und fange an sie fertig zu schmieren. Nebenan höre ich meine Mutter am Telefon reden. Ich packe mir noch eine Mandarine eine und schmeiße alles in meine Schultasche. Es scheint ein völlig normaler Morgen zu sein und doch spüre ich ein Glück und eine Vorfreude die ich mir selbst nicht erklären kann. Muss wohl temporäre Verwirrung sein.

Als ich fertig bin drehe ich mich um, um meiner Mutter zuzurufen das ich mich jetzt auf den Weg mache, da ich sonst meinen Bus zur Schule verpasse. Doch sie steht schon im Türrahmen und schaut mich stolz lächelnd mit Tränen in den Augen an. „Was hab ich nur für eine wunderschöne talentierte Tochter bekommen“, fragt sie mich strahlend. Lachend gehe ich auf sie zu und sie zieht mich in ihre Arme. „Das kann ich ja nur von dir haben“, erwidere ich keck und drück sie einmal fest. Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn und lässt mich los. „Ich weiß es war nicht einfach für dich hierhin zuziehen, aber ich bin sicher du wirst dich hier schnell einleben. Du musst jetzt los, Liebling“, erinnert sie mich. Nickend trete ich einen Schritt zurück, schnappe mir meinen Rucksack und rufe noch ein „Bye Mom“, über die Schulter während ich aus dem Haus renne.

Von unserem Haus bis zur Bushaltestelle sind es nur 5 Minuten. Ich schaue auf mein Handy. Puh noch genügend Zeit, denke ich mir, schließe meine Kopfhörer an und schlendre langsam unsere Allee entlang Richtung Bushaltestelle. Es ist ein schöner Herbstmorgen, der Himmel ist strahlend Blau und eine angenehme Brise streift einem ab und zu um die Beine. Zum Glück wirklich nur eine Brise, denn sonst würde ich ernsthafte Problem mit meinem Rock bekommen. Seufzend denke ich an meine Lieblingshose in meinem Schrank zurück.

Die Blätter der Bäume leuchten in den unterschiedlichsten Farben und verwandeln die Welt in ein einziges Farbenmeer. Meine gute Laune hält den ganzen Weg bis zur Bushaltestelle und auch die Fahrt bis zur Schule an und so singe oder summe ich, je nach dem welches Stück ich gerade über meine Kopfhörer höre, den kompletten Weg zu Schule mit. Die schrägen Blicke, die mir zugeworfen werden, können meine Laune heute auch nicht trüben.

Eine knappe viertel Stunde später hält der Bus um kurz vor 8 keine hundert Meter von meiner Schule entfernt. Ich steige mit den anderen Schülern aus und laufe Richtung Schulgebäude. Alle Mädchen tragen dieselbe Kleidung wie ich, die jungen tragen schwarze Stoffhosen und weinrote Blazer mit einem schwarzen Emblem auf der Brust gestickt darunter, ebenso wie die Mädchen, ein weißes Hemd mit einer schwarzen Krawatte. Die Schuluniformen sind aufeinander abgestimmt, sodass man uns als Einheit erkennt.

Am Anfang hat mir dieses ganze 'alle-sehen-gleich-aus-niemand-ist-anders' ein bisschen Angst gemacht aber nach ein paar Tagen hatte ich mich relativ schnell dran gewöhnt, ja mittlerweile genieße ich es sogar in der Masse unterzugehen, so wird mir wenigstens keine unliebsame Aufmerksamkeit zuteil, nur weil ich etwas trage was den anderen nicht gefällt.

Ich studiere die Massen der Schüler und mein Blick bleibt an einer kleinen Brünette hängen, die die Straße runter rast. Na gut sie ist, im Verhältnis zu den anderen Mädchen hier nicht wirklich klein. Es ist eher so das ich mit meinen 1,72m in diesem Land überdurchschnittlich groß bin. Leider auch ein Punkt weswegen ich oft angestarrt werde, natürlich neben dem ständigen gesinge meinerseits. Aber erstes kann ich nun wirklich nicht ändern und letzteres wollte ich gar nicht ändern.

Jedenfalls rennt das Mädchen in ziemlich rasantem Tempo zwischen den Schülern umher, ziemlich auffälig zwischen den sonst so müden Massen, und dem nicken ihres Kopfes nach zu urteilen hört sie über ihre riesigen Kopfhörer laute Rockmusik. Hoffentlich geht das gut! Wir treffen fast gleichzeitig am riesigen Eingangstor, das aus massivem Eisen besteht, ein. Zum Glück beide unbeschadet. Und als ich sie jetzt näher sehe meine ich mich zu erinnern das ich dieses Gesicht noch nie in der Schule gesehen habe, aber wer kann das schon so genau sagen bei den Massen an Schülern die sich alle ähnlich sehen. Zu mindestens für mich.

Ich betrachte einen Moment ihr Gesicht. Sie ist hübsch mit ihrem vollen Schmollmund und den braunen, leicht welligen schulterlangen Haaren. Ihre helle Haut ruft bei mir den Gedanken an sehr feines Porzellan wach. Doch der rebellische Blick in ihren leicht schräg stehenden grünen Augen, spricht von einer starken Persönlichkeit. Ich mag sie auf Anhieb. Dennoch liegen meine sozialen Kompetenzen und somit die Chance das ich ein Gespräch mit ihr anfange bei Null.

Ich wende meinen Blick ab. Die Sonne strahlt vom Himmel und ich gehe den von Bäumen und Sträuchern gesäumten Weg auf das Schulgebäude zu. Die ersten beiden Stunden haben wir Mathe. Ein Fach mit dem ich so gut wie gar nichts anfangen kann, weswegen ich meistens abschalte und die Gespräche so an mir vorbei ziehen lasse. Der einzige Punkt der meine Aufmerksamkeit erregt, ist der Moment in dem wir eine neue Schülerin bekommen, die, zu meinem erstaunen, das Mädchen von vorhin ist.

Jetzt ohne ihr Todbringende Geschwindigkeit schlendert sie durch die Tür und zu ihrem Pech auch noch zu spät, was ihr einen ordentlichen Anschiss von der Lehrerin und einen Gang zum Direktor beschert. Sie tut mir irgendwie Leid, was ein beschissener Schulanfang, ich will sie nicht noch weiter verängstigen, da sie eh schon von einem Haufen fremder Leute angestarrt wird, also wende ich den Kopf ab und blende ihre Vorstellung in der Klasse und alle weiteren Gespräche aus.

Leider passiert es mir viel zu oft das ich unbewusst anfange Melodien in meinem Kopf zu komponieren und diese dann auch vor mich hinsumme. Auch heute bin ich mal wieder mit meinen Gedanken so weit weg das mich meine Lehrerin mehrmals verwarnen muss das und ich zitiere: „taktlose Gesumme doch bitte  zu unterlassen“. Ich finde meine Kreationen zwar alles andere als 'taktlos' und das im wahrsten Sinne des Wortes aber erkläre das erst einmal einem Mensch der nicht dafür geschaffen ist die Musik zu leben, sondern stattdessen trockene Gleichungen löst.

Mit immer noch ungetrübter Laune schaue ich aus dem Fenster. Von einem mit ein paar Schäfchenwolken verziertem Himmel lacht mir eine strahlende Sonne entgegen und ein leiser Wind wirbelt fröhlich ein paar herabfallende Blätter umher. Ich sehne mich danach draußen unter diesem Saphir-blauen Himmel meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, den frischen Atem des Windes im Gesicht einiges von meiner Seele singen zu können. Fast kann ich schon die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut fühlen als mich ein erneutes Räuspern und ein tadelnder Blick meiner Lehrerin aus meiner Traumwelt reißt.

Ich hatte es wieder getan. Mit einem entschuldigendem Lächeln wende ich mich meinen Unterlagen zu, die vor mir auf dem Tisch liegen und sie überlässt mich wieder meinen Gedanken. Unruhig rutsche ich auf meinem harten Holzstuhl herum. Die Stunde zieht sich wie Kaugummi und als endlich der erlösende Gong ertönt, springe ich so schnell von meinem Stuhl auf das dieser fast umkippt. Zum Glück bemerkt das niemand aus meiner Klasse da sich eine allgemeine Unruhe beim Klingeln breitgemacht hat und alle aufstehen um ihre Pause woanders zu verbringen.

Unbemerkt und so leise wie möglich schlüpfe ich aus dem Klassenraum. Meinen Ipod fest umklammernd, laufe ich so schnell es geht ohne das es auffällig ist durch die Flure. Im leeren Treppenhaus angekommen halte ich mich nicht mehr zurück und sprinte die Treppen hinauf, meine Schritte hallen laut von den kahlen Wänden wieder. Ich renne vorbei am 1. Stock wo die Räume der Unterstufe liegen, weiter zum 2. Stock in dem sich lediglich die Musik- und Kunstabteilung befinden und mein Weg in die Freiheit.

Ich hatte den Weg aufs Dach entdeckt, als ich eine meiner Pausen im 2. Stock verbrachte um in den Musikräumen in Ruhe zu singen ohne von den anderen gehört zu werden. Das Risiko war trotzdem ständig vorhanden, dass ich erwischt wurde, weswegen ich mich nie komplett in den Rausch der Musik begeben konnte. Wohingegen nie jemand aufs Dach kam, zu mindestens hab ich in den fast 3 ein halb Monaten in dem ich diesen Ort als Zufluchtsort benutze dort niemanden gesehen, so kann ich an diesem Ort also ungestört und ohne mich zurückhalten zu müssen meinen Gefühlen freien Lauf lassen und mich ganz in der Melodie und der kraftvollen Stimme der Sänger verlieren.

Leicht außer Atem, biege ich in den linken Flur ein und erreiche nach kaum einer Minute eine Metalltür die ich ohne weitere Probleme aufstemme. Eine schmale Treppe führt zu einer weiteren Tür, ich stöpsele die Kopfhörer ein und stelle die Musik an. Ich muss nur noch die Tür aufmachen, dann stehe ich endlich unter freiem Himmel. Ich schließe für einen Moment die Augen und lasse die Musik über mich hinweg fließen. Die Tür hinter mir fällt mit einem lautem Knall ins Schloss und ich gehe über den grauen Kies. Kleine Steine knirschen unter meinen Schuhen als ich Richtung Dachkante gehe.

Ich lehne mich gegen die hüfthohe Mauer an der Kante und schaue über die endlosen Dächer Seoul's. Die Sonne wärmt meine Haut und ich singe leise mit. Eine Brise weht mir die Haare aus dem Gesicht und trägt meine leise Stimme mit sich fort. Menschen waren einfach nicht dazu geschaffen sich drinnen in beengenden Räumen aufzuhalten. Ich atme tief ein und beende das Lied mit einem langen hellen Ton. Wie halten andere Menschen es nur aus stundenlang stillsitzend und stumm die Zeit vergehen zu lassen, egal wo. Ob Arbeit oder Schule. Wie lebte man in totaler Stille? Unfähig sich auszudrücken. Erst Musik belebt richtig, sie ist so vielfältig und sich doch in vielem ähnelnd.

Ein neues Lied beginnt. Schnellerer Rhythmus, Beat, rauchige Stimmen, ich steige sofort mit ein, lege all meinen Frust aus den letzten Wochen mit rein. Ich verliere völlig mein Zeitgefühl und blende alles um mich herum aus nur noch die Musik existiert. Die Musik, die mit meiner Stimme spielt, sie an den richtigen Stellen verstärkt, schnell und kraftvoll klingen lässt und an anderen wiederum sanft unterstreicht und einen vollen klaren Ton erzeugt. Das Lied endet nach einer Ewigkeit, die mir gleichzeitig wie ein paar flüchtige Augenblicke vorkommt. Ich bin völlig außer Atem aber in mir macht sich ein Hochgefühl der Freude breit. Irgendwann während des Liedes hatte ich mich umgedreht ohne es bemerkt zu haben, sodass ich nun mit dem Rücken an der Mauer lehne. Ich lächle voller Glück und schaue gedankenverloren in die Ferne. Lange hatte ich mich nicht mehr so ausgeglichen gefühlt wie gerade jetzt und ich genieße das Gefühl der anhaltenden Euphorie.

So verweile ich einige Minuten mit nun einem ruhigeren Song die meine Laune nur weiter anhebet und sehe schließlich doch auf meine Uhr. Perfekt abgepasst, das kann ich allerdings nur seltend sagen. Ich habe noch genug Zeit mich in Ruhe auf den Rückweg zu machen. Noch einmal strecke ich mich und verschwinde dann nach drinnen ins Gebäude. Ich schlüpfe gerade noch rechtzeitig ins Klassenzimmer, als es auch schon klingelt und ich, nun ebenfalls wieder gefangen und eingepfercht, weiteren Todlangweiligen Unterricht in diesem stickigen Klassenraum über mich ergehen lassen muss während das Gefühl der inneren Ausgeglichenheit langsam abklingt. Das leise Lächeln verlässt meine Lippen den Rest des Tages jedoch nicht mehr.

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Comments

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Jelly_Belly
#1
Chapter 46: The feeeeeeeeeeels omg
Jelly_Belly
#2
Chapter 45: "knollnasige Trottel"
Ich packs nicht mehr :'D
_Gotka_
#3
Chapter 44: Daaaaaaaaaaaamn
_Gotka_
#4
Chapter 40: *Crying in the corner*
♥♥♥
_Gotka_
#5
Chapter 34: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#6
Chapter 33: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#7
Chapter 32: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#8
Chapter 30: Awwwwwwwwwwwwwww so awkward and yet so cute :3
_Gotka_
#9
Chapter 24: Bis in 3 Wochen ;-D
_Gotka_
#10
Chapter 23: Kleine Frage..fährt ihr auf das B.A.P Konzert in Düsseldorf? :D
Wie immer tolles Chapter :D