Yuri - Über Flüge, scheußlichen Kaffee und doofe Anmachen

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26.06.2014

Ich hasse dieses Lied, ist mein erster Gedanke als das Flugzeug mit einem Ruck auf dem Boden meiner neuen Heimat aufsetzt und mich so unsanft aus dem Land meiner Träume reißt. Ich hole den Ipod aus meiner Hosentasche und spule ein Lied vor. Schon besser, denke ich mir und stecke das kleine weiße Gerät wieder zurück in meine Tasche. Ich setze mich aufrechter hin, streiche mir die Haare aus dem Gesicht und schaue mich um. Man kann genau fühlen wie die Turbinen ihre Aktivitäten runter fahren und der Motor abkühlt und als ich an der alten Frau neben mir vorbei aus dem Fenster schaue, kann ich ein Stück des bewölkten Himmels ausmachen. Dunkle regenschwere Wolken türmen sich vor einem silbergrauen Himmel auf. Ein hell erleuchtetes Flughafen Gebäude hebt sich deutlich vor dem Einbruch der Nacht und dem dunklen Asphalt der Landebahn ab. Während wir langsam weiter rollen wende ich mich vom Fenster ab und sehe mich im Inneren um. Die Crew bereitet sich darauf vor die Türen zu öffnen und letzte Dinge vor dem Aussteigen der Passagiere zu regeln.

Alle Sitze des Flugzeuges sind belegt und entsprechend überfüllt und stickig wirkt auch die Atmosphäre. Der Lärmpegel steigt an, als das Flugzeug in die endgültige Parkposition gezogen wird und ich betrachte den abgewetzten blauen Stoff des Sitzes vor mir. Wie viele Menschen waren schon mit diesem Flugzeug den gleichen Weg wie ich geflogen? Ich mag das Fliegen nicht. In der Luft habe ich keine Kontrolle darüber was passiert und das ruft in mir immer eine leichte nervosität hervor. Ich weiß, dass - theoretisch gesehen - das Reisen mit dem Flugzeug eine der sichersten Arten heutzutage ist, dennoch konnte ich das nervöse flattern meines Herzens und diverse Horrorszenarien, die während des Fluges in meinem Kopf abliefen, nicht unterdrücken.

Dementsprechend erleichtert atme ich auf als wir nun endlich stehen bleiben. Auf dem Display der in dem Sitz vor mir eingebaut ist, erscheint nun der typische Dank diese Airline gewählt zu haben und einen schönen Urlaub bekamen wir auch noch gewünscht. 'Urlaub', denke ich mir schnaubend. Schön wär's, dann würde ich wenigstens in absehbarer Zeit zurückfliegen. Zurückfliegen, das ist alles was ich im Moment trotz meiner nennen wir es Abneigung gegen das Fliegen will. Aber eins nach dem anderen. Erst einmal will ich schleunigst aus diesem Ding raus und an die frische Luft.

Ein Kleines 'Pling' reißt mich aus meinen Gedanken, das Anschnallzeichen ist erloschen. Zurück in der bitteren Realität mit einem schmerzenden Rücken und einer Laune auf dem Tiefpunkt, schnappe ich mir meine Tasche, springe von meinem Sitz in der Mitte auf und drängele mich an dem dicken Mann zu meiner rechten vorbei. Eilig schreite ich den Gang entlang, weiche Menschen aus die ihr Handgepäck aus dem Fach über sich ziehen und bleibe schließlich mit als Erste vor den noch geschlossen Türen stehen.

Eine erwartungsvolle Spannung legt sich wie eine Decke über die Leute und ich spüre pure Erleichterung als ich aus dem Flugzeug in die Abenddämmerung trete und den ersten tiefen Atemzug der kühlen Luft einziehe. Der Wind lässt meine Haare umherwirbeln und ich bleibe erneut einen Moment am Ende der Treppe stehen. Erneut hole ich tief Luft. Es riecht nach Regen, frisch und klar, aber der überwältigende Duft von Kerosin der in der Luft liegt erinnert mich wieder daran wo ich bin und versetzt dem Gefühl der Freiheit einen Dämpfer. Ich strecke mich, um meine steifen Muskeln zu lockern und fröstle kurz als ein eisiger Windstoß durch meine Kleidung fährt. Eilig schließe ich meine Jacke. Ein stechenden Schmerz im unteren Teil meines Rückens lässt mich zusammenfahren.

Kein Wunder! Nicht nur, dass ich etwas mehr als 10 Stunden in einer unmöglichen Sitzposition auf einem Sitz der sich nach einer Stunde so hart wie Beton angefühlt hatte verharren musste, dank des dicken Mannes der neben mir gesessen hatte. Nein, die Tatsache das irgendein quengelndes Kind auch noch während des gesamten Fluges gegen meinen Sitz getreten hatte trug nicht gerade zu einer Besserung der Situation bei.

Wenn ich so überlege, hätten wir für den Sitzplatz eigentlich nur die Hälfte zahlen müssen. Die andere Hälfte hatte ich gezwungener Maßen dem Mann überlassen müssen und ging so, auch nicht ganz freiwillig, auf Tuchfühlung mit einer älteren Dame, zu meiner linken. "Was jetzt?", murmele ich leise zu mir selbst, ich beschließe fürs erste ins Flughafen Gebäude zu gehen und mich frisch zu machen. Ich richte den Trageriemen meiner schwarzen Umhängetasche und folge also den anderen Passagieren in Richtung des riesigen modernen Gebäudes, welches nur aus Glas und Stahl zu bestehen scheint und ein warmes Licht in die mittlerweile dunkle Nacht sendet.

Beim laufen ziehe ich meinen Ipod aus der Tasche meiner Jogginghose, um erneut ein Lied weiterzumachen. Mein Kopf wippt leise mit zur Musik während ich summend weitergehe. Ich glaube jeder hat dieses eine Lied auf seinem Musikplayer das er immer überspringt aber niemals löscht und genauso werde ich den nächsten Abschnitt meines Lebens verbringen. Ich werde es über mich ergehen lassen und wieder nach Hause abhauen, sobald ich die Oberstufe abgeschlossen hab. Später einmal, wenn man mich fragt, wie mein Leben verlaufen ist, werde ich diesen kleinen unwichtigen Teil meines Lebens überspringen, unfähig ihn jemals zu löschen.

Ich nähere mich den Glastüren, die ins Innere führen und passiere den Eingang, den Blick immer noch auf meinen Ipod gerichtet. Zielstrebig will ich Richtung Toiletten verschwinden, deren Hinweisschild ich durch eine kurzes Aufblicken entdeckt hatte, als ich auch schon mit dem Kopf fast vor das viel zu tief hängende Willkommensschild knalle und kann einen Zusammenstoß nur knapp durch meine Raubkatzen-ähnlichen Reflexe verhindern. Ok, vielleicht wurde ich auch genau im richtigen Moment angerempelt sodass ich am Schild vorbei stolpere.

Ärgerlich schaue ich auf und lese die Aufschrift: 'Willkommen am Incheon Airport, Süd-Korea'. Tolles Willkommen! Kopfschüttelnd gehe ich in die Toilettenräume. Was hat der heutige Tag nur an sich, das mich so erschöpft?

Ich werfe meine Tasche auf die Ablage des Waschbeckens, ziehe mein Shirt über den Kopf aus und stopfe es in die Tasche. Nach einigem wühlen zwischen dem ganzen Kram in meiner Tasche finde ich dann auch das gesuchte schwarze Top ganz unten am Boden. Frauen und ihre Handtaschen, muss ich noch etwas dazu sagen? Zum Glück habe ich noch, so geistreich wie ich bin, Wechselsachen in mein Handgepäck gestopft. Wer weiß, ob nicht der Idiot der die Platzverteilung zu verantworten hatte auch für unsere Koffer zuständig ist.

Anschließend putze ich mir kurz die Zähne und spritze ich mir noch kaltes Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit wenigstens ein bisschen zu vertreiben. Nachdem ich mir das Gesicht mit den billigen nach Desinfektionsmittel riechenden Papirtüchern abgetrocknet habe, richte ich mich seufzend auf. Als ich meinen katastrophalen Zustand beim Betrachten meines Spiegelbildes entdecke, nehme ich das gleich nochmal als Anlass um laut aufzustöhnen.

Große sturmgraue Augen mit langen schwarzen Wimpern unter denen dunkle Schatten liegen schauen mir aus dem Spiegel entgegen. Mein linkes etwas schmaleres Auge kneife ich etwas zusammen. Mein schmales Gesicht mit hohen den hohe Wangenknochen sieht in dem grellen Licht vor dem sterilen weißen Kacheln noch blasser aus als sonst. Das kleine Muttermal im rechten Mundwinkel ist dank dieser Umstände noch aufälliger als es eh schon immer ist.

Ich sehe müde aus, besser noch. Völlig fertig. Volle Lippen verziehen sich zu einem verächtlichen Grinsen, das mehr an ein Zähne fletschen erinnert. Seufzend ziehe ich an einer Strähne meines heute mal wellign Haares. "Ach was soll's", denke ich und  befestige meine braun-blonden Haare zu einem unordentlichen Knoten in meinem Nacken. Ist ja nicht so als würde ich heute auf ein Date gehen, oder jemals.

Ich betrachte meine mittelgroße Gestalt im Spiegel, gekleidet in einem schwarzen Top, einer Hellgrauen Jogginghose und der dazu passenden Kapuzenjacke und  wende mich schließlich desinteressiert ab. Ich nehme meine Tasche wieder an mich und verlasse die Toilettenräume. Vor der Tür bleibe ich stehen, starre auf meine weißen Chucks und überlege was ich als nächstes tue, doch meine Gedanken fließen bloß zähflüssig dahin.

Ich beschließe mir erst einmal meinen Koffer vom Gepäckband zu holen und folge erneut dem Strom an Menschen der aus demselben Gate kommt wie ich. Vor dem Gepäckband herrscht ein reges Treiben. Schreiende Kinder laufen umher und jeder versucht in der ersten Reihe zu stehen, ein konstantes Summen hängt in der Luft, nur durchbrochen von quietschenden Sohlen auf dem glänzend weißen Marmor Fußboden. Zweifelnd, ob ich da überhaupt unbeschadet durchkomme, hole ich mein Handy aus der Tasche und schalte es ein. Vielleicht sollte ich einfach warten bis es etwas leerer ist überlege ich mir.

Mein Handy geht mit einem leisen Geräusch an. Der vertraute Ton beim Einschalten gibt mir das Gefühl in diesem völlig fremden Land wenigstens etwas zu kennen, nur leider entscheidet sich meine Telefongesellschaft, aus mir unerfindlichen Gründen, gerade jetzt dazu einige Wartungsarbeiten durchzuführen, was für mich soviel heißt wie: kein Netz. Na toll! Ich stecke das undankbare Ding also wieder in meine Hosentasche und da ich ein viel zu ungeduldiger Mensch bin um zu warten, kämpfe ich mich mithilfe meiner Ellenbogen, was mir einige verärgerte Blicke und Proteste beschert, an laut durcheinander rufenden Menschen durch die Masse bis ich vor dem Fließband stehe.

Jetzt heißt es natürlich erst mal warten, da sich diese außergewöhnliche Errungenschaft des 21. Jahrhunderts mit einer rasanten Geschwindigkeit von ungefähr 3 km/h vorwärts bewegt. Ich verdrehe die Augen. Nach einer halben Ewigkeit und gefühlt hundert Koffern, die über meine Füße gezogen worden sind, sehe ich endlich mein riesiges schwarzes Monstrum von Koffer langsam herrannahen. Ächzend hieve ich ihn vom Band, oder eher ich versuche es, wobei ich ziemlich große Mühe habe nicht mitgerissen zu werden.

Verdammt, das Ding ist schwerer als es aussieht. Leicht aus der Puste stütze ich mich auf dem Gepäckstück ab und knurre einen jungen Mann an, der erschrocken zurück springt. Dieser Idiot hatte mich die ganze Zeit grinsend beobachtet aber keinen Finger gerührt. „Anstatt so blöd zu starren hätten sie mir ja auch mal helfen können“, zische ich verärgert. Woraufhin er mich nur verwirrt anstarrt und schnell das weite sucht.

Ich stutze kurz, als es mir wieder einfällt. Ich habe vergessen Koreanisch zu sprechen. Innerlich schlage ich mir eine Hand gegen die Stirn. Kein Wunder, dass er mich angestarrt hat wie eine Irre. Mein klingelndes Handy unterbricht meine Gedanken. Hektisch ziehe ich es aus meiner Hosentasche, mein Netzanbieter hat also doch noch Erbarmen mit mir. „Was?“, rufe ich leicht außer Atmen. „Yuri mein Schatz!“ ertönt die vor Aufregung schrille Stimme meiner Mutter aus dem Gerät. Vor Schreck hatte ich den Hörer fast fallen lassen und hielt ihn nun vorsorglich 10cm von meinem Ohr entfernt.

Meine Mutter, eine ausgewählte Korea Fanatikerin von der ich unmöglich meine Gene geerbt haben konnte, redet so schnell vor sich hin, sodass ich kaum ein Wort verstehen kann. Ich meine, wer zieht schon freiwillig nach Süd-Korea? Ich blicke auf und kann meine Spiegelung in einer Glasabtrennung erkennen. Die Idiotin steht vor dir, denke ich verbittert. Wobei 'freiwillig' hier eher 'keine andere Wahl' bedeutet.

Mein Blick gleitet weiter durch die riesige Halle und ich entdecke einige Fanshops, natürlich. Boygroups waren hierzulande ja ganz groß im kommen. Die Stimme meiner Mutter weiter im Ohr, jedoch nicht wirklich interessiert zuhörend, wende ich mich um, um in Richtung Ausgang zu schlendern. Als mich ein Satz meiner Mutter stocken lässt. „...einfach zu spät und jetzt stecke ich im Stau fest.“, redete meine Mutter fröhlich vor sich hin. Ich ahnte, dass mir die nächsten Worte nicht gefallen würden. Vielleicht hätte ich doch zuhören sollen.

„Ich komme als frühstens in einer Stunde, tut mir leid mein Liebling.“, beendete sie ihren Satz bedauernd. Natürlich hatte ich recht, das gefiel mir ganz und gar nicht. Konnte es noch schlimmer kommen? Frustriert beende ich das Gespräch mit meiner Mutter so schnell wie möglich, da ich immer noch sauer auf sie bin und mache mich auf den Weg zu dem kleinen Café das ich gerade entdeckt habe.

Eventuell bin ich ungerecht zu ihr, aber ist es nicht auch ungerecht von ihr mich mitten aus meinem Leben zu reißen, weg von meinen Freunden, mitten in der Oberstufe und das alles nur, weil sich meine Eltern hatten scheiden lassen. Nun wollte meine Mutter einen 'Neuanfang' machen und hatte sich den Traum erfüllt nach Korea auszuwandern. Wenn sie schon unbedingt einen 'Neuanfang' wollte warum dann bitte nicht auf Hawaii oder in der Karibik? Aber mein Traum von einem weißen Sandstrand und tropischem Wetter zerplatze schneller als ich Piña Colada sagen konnte.

Nein, es musste natürlich Korea sein, ausgerechnet Asien, der überbevölkertste Kontinent auf Erden. Dabei hasse ich es, wenn sich zu viele Menschen an einem Ort befinden. Ich, ihre einzige Tochter, bleibt bei ihren großen Auswanderungsplänen natürlich nicht verschont und da ich keine anderen Verwandten habe und seit einer langen Zeit keine gute Beziehung zu meinem Vater hege, fiel die Option in Deutschland bei ihm und seiner neuen Tussi zu bleiben (leider) auch weg.

Mittlerweile habe ich eines dieser Flughafencafés mit dem bestimmt scheußlich schmeckenden Kaffee erreicht. Ich stelle meinen Koffer neben einen winzige Tisch in der hintersten Ecke des Café's und lass mich auf einen der Holzstühle fallen. Eine junge Kellnerin kommt kurz darauf an meinen Tisch und fragt was ich möchte. Ich bestelle mir also einen Becher dieses Abklatsches von meinem Lieblingsgetränk und sie verschwindet wieder genauso schnell wie sie gekommen ist. Wenigstens würde er mich wachhalten bis meine Mutter, in hoffentlich absehbarer Zeit, hier eintreffen wird.

Ich lasse meinen Blick über die anderen Besucher des Café's gleiten. Ich liebe es Menschen zu beobachten und zu versuchen ihre Persönlichkeiten einzuschätzen. Ich bin ziemlich gut darin und durchschaue die meisten Menschen sofort. In diesem Laden ist allerdings nichts spannendes dabei. Drei ältere Frauen, die jeweils eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen vor sich hatten unterhielten sich aufgeregt. Eindeutig Kaffeeklatsch. Wortspiel beabsichtigt. Haha.

Den nächsten Tisch teilen sich ein junger Mann und eine junge Frau. Eindeutig ein Pärchen, da sie Händchen halten und mit ihrer freien Hand den jeweils anderen füttern. Igitt! Bitte nicht. Ich konnte auch noch gefüttert werden wenn ich alt und senil in meinem Bettchen daliege, aber bis dahin war ich sehr wohl noch selbst dazu in der Lage mich mit Nahrung zu versorgen.

Der Rest der Besucher bestand aus einem Haufen pubertierender Mädchen um die 13-14 Jahre alt. Sie hatten Leuchtstäbe, Kameras und Haufenweise Plakate vor sich liegen, auf den irgendwelche Namen und Symbole gezeichnet waren. Natürlich alles reich mit Herzchen verziert. Ich lese vor mich hin was so auf den Plakaten steht: „BTS 4ever“, und „2cool4skool“. Ja eindeutig, denke ich mir grinsend, schreibt ruhig weiter so, wer brauch schon Bildung?

Das Vibrieren meines Handys lässt mich leicht zusammenfahren und als ich drauf schaue vergeht mir das Grinsen. 3 ungelesene Nachrichten von meinem Betrüger von Vater. Missbilligend starre ich das Display an und lösche schließlich alle Nachrichten ohne sie gelesen zu haben. Ich stecke mein Handy wieder ein. Oh nein! Lieber wäre ich einem dieser fanatischen-Fangirl-Clubs beigetreten, wie es diese Mädchen da drüben wahrscheinlich sind, die diese stupide Boygroup Gejaule hören und ihre 'Oppas' wie lebende Gottheiten verehren, als bei dem Arsch von biologischen Erzeuger zu leben.

Ich seufze das gefühlte hunderte mal an diesem Tag. Mein Vater und ich hatten immer eine gute Beziehung zueinander. Ich erinnere mich noch genau an sein tiefes warmes Lachen wenn er Sonntagsmorgens mit noch leicht vom Schlaf verwuschelten Haaren seine berühmten Pfannekuchen für mich gemacht hat. Doch mit der zeit verblasst diese Erinnerung genauso wie sein Lachen, das von Tag zu Tag von Woche zu Woche weniger wurde. Er war immer seltender zuhause, arbeitete länger bis spät in die Nacht und wenn er doch mal da war so füllten die streitenden Stimmen meiner Eltern die Gänge unseres gemeinsamen Hauses aus. Jedes mal wenn er sich wieder verzog ertappte ich meine Mutter dabei wie sie heimlich und leise weinte.

Damals wie heute schalte ich alles und jeden mit der Musik aus. Eine Zeit zum frei durchatmen und als ich jetzt wieder den Tönen aus meinen Kopfhörern lausche verziehen sich langsam die dunklen Erinnerungen und meine Brust wird freier. Meine Mutter war schon vor ein paar Wochen hergekommen war, um alles in unserem neuen Haus einzurichten und die ganzen Sachen zu regeln die man eben klären muss, wenn man 'neu anfangen' will.

Ein Plastikbecher wird vor mir abgestellt. Endlich denke ich erleichtert, bezahle, nicke der Kellnerin als Dank nur zu und schaue in die braune Brühe. Angewidert verziehe ich den Mund. Igitt, was soll das denn sein? Ich lege meine Hände um den dampfenden Becher. Wenigstens wird mir so ein bisschen warm. Ich stelle meinen Musik auf volle Lautstärke. Also wenn das alles ist was die hier an Kaffee anzubieten haben überlege ich mir das mit meinem Vater vielleicht doch nochmal! Da wird einem ja beim anschauen schon schlecht.

Ich gähne als sich die bleiernde Müdigkeit weiter breit macht und beschließe, dass ich den extra Koffein-Kick eigentlich gut gebrauchen kann, also Augen zu und durch. Ich nehme einen riesigen Schluck und reiße die Augen auf. Böser Fehler. Die Mist-Brühe schmeckt nicht nur abscheulich sondern ist auch noch so heiß, dass ich mir auf der Stelle die Zunge verbrenne und den Kaffee beinahe wieder ausspucke.

Ich springe erschrocken auf. Nur mit Mühe gelingt es mir ihn drin zu behalten und anschließend herunterzuschlucken. Zu meinem übergroßen Glück verschluckte ich mich auch noch daran und fange an zu husten. Ich bekomme keine Luft und haue mir auf die Brust. Als mir schon die Tränen in die Augen treten wird mein Hals endlich wieder frei und ich ziehe begierig die Luft ein. Mein Kopf ist vor lauter Anstrengung bestimmt ganz rot. Kaum habe ich mich ein bisschen von meinem beinahe Erstickungstod erholt wird mir bewusst, dass ich immer noch stehe und ohne Ausnahme von allen angestarrt werde. Mein Kopf wird in dieser Sekund wahrscheinlich noch um Facette dunkler.

Peinlich berührt lasse ich mich schnell wieder auf das dunkle Polster meines Holzstuhles fallen und stecke mir die Kopfhörer wieder in die Ohren, die bei meiner kleinen Aktion raus gefallen sind. Ich blicke die älteren Frauen böse an die einen Tisch weiter sitzen und mich immer noch extrem unhöflich anstarren. Als sie schließlich wegschauen ignoriere ich die Blicke der anderen, schließe, leise auf Deutsch vor mich hin fluchend, für einen kurzen Moment die Augen und lasse mich von der Musik davontragen.

Was für ein wandelndes jetzt auch Internationles Disaster ich doch bin, denke ich und muss aber leicht über mich selbst grinsen. Ich fange an mitzusummen und konzentriere mich nun ganz auf die Melodie des Liedes, auf die Stimme des Sängers und die Gefühle, die dieses Stück übermittelt. Wie von selbst schleicht sich ein nun entspanntes Lächeln auf meine Lippen und ich fühle mich um einiges ruhiger und sicherer als noch vor einigen Minuten.

Als ich die Augen wieder öffne zucke ich erschrocken zusammen, denn direkt vor mir sitzt ein ziemlich gut aussehender Typ. Ok, das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Ziemlich nah vor mir sitzt ein ziemlich gut aussehender Typ, ja das trifft es schon eher. Eine posttraumatische Halluzination ausgelöst durch den beinahe Erstickungstod? Ich schätze ihn auf ca. 19 Jahre. Er hat sich so weit vorgebeugt, sodass ich, bevor ich zurück gezuckt bin, sogar das kleine süße Muttermal unterhalb seiner Nasenspitze gesehen hatte. Warte mal! Süß??? was dachte ich denn da?

Als er jetzt seinen Kopf leicht zur Seite neigt, wie um mich besser betrachten zu können, fallen ihm einige Strähnen seiner hellblonden Haare über die Augen, die unter einer schwarzen Wollmütze hervorlugen. Er besitzt eine ausgeprägte Kinnlinie, eine gerade Nase. Seine Augen kann ich leider nicht erkennen, da sie hinter einer großen dunklen Sonnenbrille versteckt sind. Geblendet von meiner Schönheit haha.

Nein ernsthaft warum trägt er nachts in einem Gebäude eine Sonnenbrille? Ich habe das Gefühl gemusterst zu werden als er schließlich anfängt zu grinsen. Viel sehe ich von seinem Körper nicht aber das was ich sehe machte mich ganz kirre ähm ich meine lässt mich völlig kalt.

Seine langen Beine stecken in einer schwarzen Jeans und ein weißer Wollpullover mit V-Ausschnitt schmiegt sich eng um seinen athletischen Oberkörper. Ich muss es mir (leider) eingestehen. Alles in allem sieht er ziemlich süß aus mit seinem schiefen Grinsen im Gesicht. Er streckt seine linke Hand über den Tisch und zieht mir dir Kopfhörer aus den Ohren. Dabei streift seine linke Handfläche meine Wange und hinterlässt ein fremdartiges Kribbeln auf meiner Haut.

Seine Hände sind größer als meine, er hat lange feingliedrige Finger. Pianisten Hände. Ein mehrstimmiges Kichern reißt mich aus meinen schwärmerischen Gedanken und ich blicke mich verwirrt um. Der Haufen junger Mädchen mit den Plakaten starrt in unsere Richtung und flüstert aufgeregt. Was ist denn mit denen los? Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch, aber die Mädchen lassen sich nicht davon abhalten weitere Quitschgeräusche auszustoßen und auf uns zu zeigen. Eine macht sogar ein Foto und so langsam werde ich extrem verstimmt, traue mich aber nicht etwas zu sagen.

Verärgert schnalze ich mit der Zunge und wende mich wieder dem Jungen mir gegenüber zu. Sein Grinsen ist nun etwas verutsch und er zieht die Mütze etwas tiefer. Verwirrt blicke ich ihn einfach nur an und warte. Doch leider kann ich seinen Anblick nicht lange ungestört genießen, aus dem ganz einfachen Grund, dass die nächsten und ersten Worte die seinen Mund verlassen sich zu einem der blödesten Anmachsprüchen zusammen fügen, den ich je gehört habe. „Ich glaube ich muss im Himmel anrufen, ich habe einen Engel gefunden.“, raunte er mir mit einer tiefen Stimme zu, die mir einen wohligen Schauer über den Körper jagt.

Mein Kopf fährt seine Aktivitäten augenblicklich wieder hoch und die kleine sarkastische Stimme in meinem Kopf schreit mir zu: "Verarschen kann ich mich alleine!".  „Spar dir das Geld!“, zische ich also wütend, schnappe mir meine Tasche und meinen Koffer und lasse den Kerl einfach mit dem abscheulichem Kaffee, der immer noch auf dem Tisch steht, zurück.

Nichts wie weg, denke ich mir und schlängele mich durch die Tischreihen, was sich mit dem riesigen Koffer als gar nicht so einfach erweist. Vorbei an den Mädchen die mich mit offenem Mündern anstarren, weiß Gott warum, bis ich draußen vor dem Laden stehe. Zugegeben etwas ratlos wieder in der großen Halle. Eilig schreite ich durch die Halle und ziele eine Sitzgruppe an die ich vorhin schon entdeckt hatte. Weit entfernt von diesem Café, was als Botschaft reichen sollte.

Auf halben Weg fällt mir leider auf, dass der Typ immer noch meine Kopfhörer in der Hand gehalten hat als ich abgehauen bin und ich bleibe abrupt stehen. Mit mir selbst ringend ob ich zurück gehen sollte um meine Kopfhörer zu holen und damit einen weiteren dieser hirnlosen Testosteron gesteuerten Sätze zu riskieren, die mir im Moment auch noch den letzten Nerv rauben würden, oder die Kopfhörer einfach ihm überlasse und zu versuchen in den nächsten Tage neue zu ersteigern. Das würde aber wiederum bedeuten ich müsste heute, da keine Geschäfte mehr geöffnet haben, und morgen in meiner neuen Schule ohne sie auskommen. Ich hasste es wenn ich die Welt und ihre Geräusche nicht ausblenden konnte, wenn mir alles zu viel wurde. Ich brauchte diese Momente der Stille. Wobei Stille natürlich relativ ist da ich in diesen ja Musik höre. Aber so kann ich völlig abschalten und das einzige was diese Stille durchschneidet sind meine Gedanken.

Ich bin von Natur aus eher unsicher was mich selbst und neue Bekanntschaften angeht und fühle mich unwohl wenn niemand dem ich vertraue da ist. Ohne die Kopfhörer habe ich noch nicht mal einen anderen Ausweg, unerwünschten Konversationen aus dem Weg zu gehen. Ich habe also mehr oder weniger keine Wahl. Gerade als ich mich entschlossen habe möglichst würdevoll zurück zu gehen um mir meine heißgeliebten Kopfhörer zu schnappen, räuspert sich jemand hinter mir und ich wirble herum.

Leider steht dieser jemand viel zu nah hinter mir und so knalle ich mit meiner Stirn gegen das ,ich spreche aus Erfahrung, ziemlich harte Kinn. Es ist natürlich der Kerl aus dem Café mit dem dämlichen Anmachspruch. Ich stolpere einen Schritt zurück und reibe mir über meine Stirn. Genugtuung erfüllt mich als ich sehe das auch er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Kinn hält. Da war mein Dickschädel wenigstens einmal zu etwas gut gewesen.

Ich funkle ihn an und frage ihn in meinem besten genervten Ton: „Was willst du?“. „Ich.. ähm... du...die Kopfhörer, ja also deine Kopfhörer hast du auf dem Tisch vergessen.“ stammelt er plötzlich und sieht mit seiner ins Gesicht geschrieben Nervosität doch ziemlich niedlich aus. Inzwischen hat er seine Sonnenbrille abgenommen (wurde auch zeit mein Freund der Sommer war schon vor ein paar Monaten vorbei) und nun sehe ich seine Augen zum ersten mal.

Sein Welpenblick gepaart mit den von dunklen langen Wimpern umrahmten schokobraunen Augen, sind nicht gerade eine Unterstützung dabei wütend zu bleiben. Stattdessen würde ich gerne sabbernd auf die Knie sinken..  „Reiß dich zusammen Yuri! Wer bist du denn das du beim ersten gutaussehenden Kerl sofort schwach wirst?!“ schreit mich meine innere Stimme an. Auch wieder richtig! Ein bisschen Reue für den echt blöden Anmachspruch kann er schon fühlen und meinen Stolz... naja den noch vorhandenen Stolz.

Er hält mir meine Kopfhörer hin. Entnervt reiße ich sie ihm aus der Hand und drehe mich auf dem Absatz um. Doch kaum bin ich ein paar Schritte gegangen höre ich ihn hinter mir herlaufen. „Yah! Jetzt warte doch mal!“ ruft er mir mit seiner tiefen Stimme hinterher und ich kann nicht verhindern eine Gänsehaut zu bekommen. Warum läuft er mir hinterher? „Kein Bedarf, Danke.“ schnappe ich über die Schulter zurück, stecke mir die Kopfhörer zurück in die Ohren und drehe die Musik auf. Ich erreiche die von mir angepeilte Sitzecke, stelle meinen sperrigen Koffer neben die Couch und lasse mich auf die schwarze Polsterung plumpsen. Zum Glück besitzt in so moderner großer Flughafen wie der hier in Incheon soetwas bequemes. Obwohl wenn ich es mir recht überlege wäre jetzt jeder Holzstuhl bequemer als dieser blöde Sitz aus dem Flugzeug.

Erleichtert schließe ich die Augen und lehne mich in die weichen Kissen zurück. Ich versuche mich wie schon im Café auf die Musik zu konzentrieren und zu beruhigen, aber es stellt sich auch nach einigen Minuten keine Besserung meines inneren aufgewühlten Zustandes ein. Warum ich aufgewühlt bin kann ich mir jedoch auch nicht erklären. Stattdessen werde ich zunehmend frustrierter. Ich lasse meine verspannten Schulter kreisen. Verdammt, warum konnte mich ein einziger dämlicher Spruch derartig aus der Bahn werfen? Plötzlich merke ich wie jemand neben mir Platzt nimmt und bete noch im gleichen Augenblick zu einer höheren Macht, was oder wer auch immer das sein mag, wenn ich die Augen öffne möge es doch bitte nicht dieser Kerl sein.

Natürlich werde ich nicht erhört. Warum auch? Dort sitzt er auf der anderen Hälfte der Couch, lässig in die Kissen gelehnt und schaut mich einfach nur an. Ich verdrehe die Augen und schaue demonstrativ in eine andere Richtung. Wie Begriffsstutzig ist der Typ eigentlich? Gut, abweisen hat also nichts gebracht. Dann eben anders, schweigen kann ich auch denke ich mir, verschränke die Arme vor der Brust und warte.

Es vergehen 2 Minuten, dann 5, langsam fange ich an nervös zu werden und trommle mit den Fingern auf meinen Arm herum. Warum ist er immer noch hier hat er nichts besseres zu Tun als schweigend neben mir zu sitzen und plötzlich ein Räuspern, dass ich durch meine Musik vernehmen kann. Ich reagiere nicht. „Möchtest du mich nicht wenigstens ansehen?“. Wieder diese tiefe Stimme, die wie Seide über meine Sinne streichelt und mir eine Gänsehaut auf den Armen bereitet.

Ich versteife mich und reibe unauffällig über meine Arme. „Macho-Arsch!“, zetert die Stimme in meinem Kopf. „Weil er ja so gut aussieht oder was? Was glaubt er eigentlich wer er ist? Nur weil er mit einem ganz passablem Gesicht und einem annehmbaren Körper ausgestattet ist, liegt ihm nicht jedes weibliche Wesen im Umkreis von 3 Kilometern zu Füßen!“. Ich presse die Lippen zusammen. Ich werde nichts sagen! Weiterhin ziehe ich es vor ihn zu ignorieren, stelle aber aus unerfindlichen Gründen die Musik leiser. Ich gebe es ja zu. Auch ich bin neugierig was er noch zu sagen hat.

Wieder einige Minuten Stille, nur meine Musik die leise vor sich hinspielt und der allgemeine Lärmpegel der in einem so großen Flughafengebäude wie diesem hier in Seoul, in dem ich zurzeit festsitze, herrscht. Ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren und beobachte die vorbeilaufenden Leute. Eine Mutter mit einem schreienden Kind, zwei tuschelnde Mädchen die in meine Richtung sehen, ein junges Paar mit Rucksäcken auf, wieder eine Gruppe von Mädchen die in meine Richtung zeigen kichern und schnell weitergehen. Mmh, komisch, was ist nur mit den ganzen Mädchen heute los?

Das nervöse: „Ganz schön was los hier, was?“, reißt mich aus meinen grüblerischen Gedanken. Mein Kopf wirbelt herum und bevor ich es verhindern kann, zische ich ein: „Dann sei du doch wenigstens ruhig!“, zurück. Was lässt er auch so einen saudämlichen Smalltalk Satz ab? Fehlt nur noch der obligatorische Plausch übers Wetter! Aus diesem Grund mag ich es nicht mit jemandem alleine zu reden, oder generell zu reden, wenn niemand dabei ist den ich kenne. Das verzweifelte Suchen nach einem annehmbaren Thema. Die peinliche Stille und das verlegen Räuspern, um die drückende Situation zu unterbrechen. Grausam!

Zu spät bemerke ich das schelmische Blitzen in seinen Augen und das Zucken seines Mundwinkels. Verdammt! Warum verliere ich schon wieder mit nur einem Satz von ihm meine Fassung? Er hatte eine Reaktion gezielt provoziert. Mit einem abwertendem Laut drehe ich mich erneut weg. „Sie kann also doch sprechen!“, sagte er schmunzelnd. „Hör mal -“, fährt er nach einigen Sekunden fort, mit iner ernsten Stimme. „Tut mir leid wegen der blöden Anmache vorhin.“.

Ruckartig wende ich meinen Kopf erneut und starre ihn verwundert an. Wenn ich so weiter mache bekomme ich noch eine Schleudertrauma. Jetzt schalte ich endgültig meine Musik aus. Eine Entschuldigung ist das letzte womit ich jetzt gerechnet hätte. Mein Mund öffnet und schließt sich wiederholt, doch es kommt kein Ton heraus. Mein Kopf ist wie leergefegt. Er sieht mich reuevoll aus seinen großen dunklen Augen an. Sehr zu meinem Missfallen spüre ich wie ich dahin schmelze.

Seufzend sehe ich wieder gerade aus. Immerhin hat er sich entschuldigt! Es vergeht einige Zeit in peinlicher Stille. Um Zeit zu schinden schaue ich auf mein Handy, 19:47 zeigt mein Display an. Meine Mutter müsste jeden Moment kommen. Wurde auch Zeit, ich bin todmüde denn solangsam lässt der Schluck Koffeein von vorhin nach! „Und? Was machst du hier so um diese Uhrzeit?“, fängt der Junge neben mir in freundlichem Ton an und unterbricht damit die Stille zwischen uns.

„Also ich und meine Jungs -“, „Ok, Pass auf!“, unterbreche ich ihn und sehe ihn fest an. „Was willst du ?“, frage ich ganz direkt und blicke in seine verwirrt dreinblickende Augen. „Ich bin wirklich müde und hatte einen extrem schlechten Tag, also sag mir einfach was du willst oder verschwinde.“. Ich bin nicht mehr genervt sondern einfach nur erschöpft. „Ich hab weder die Nerven noch die Lust für blöde Anmachsprüche oder peinlichen Smalltalk. Also?“, beende ich meinen kleinen Vortrag.

„Ich weiß wirklich nicht - “, beginnt er zögerlich und vermeidet meinen Blick. „Man spricht nicht einfach so ein fremdes Mädchen an einem Flughafen mit einem blöden Anmachspruch an und folgt ihr durchs ganze Gebäude, nur um Smalltalk zu betreiben. Und an Liebe auf den ersten Blick glaub ich auch nicht, also raus damit! Was ist das hier? “, unterbreche ich ihn erneut und ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

Er sieht verlegen zur Seite und stößt leise zwischen Husten hervor: "eine Wette". „Aha“, mache ich nur. Und dann schließlich: „Also?“, frage ich gelangweilt und lasse meinen Blick erneut schweifen. „ Ein Foto“, murmelt er verlegen. „Ein Foto von mir?“, frage ich verwundert nach und mein Blick springt erneut zu ihm. „Ein Foto von uns beiden“, gesteht er mir mit immer noch verlegener Miene. Ich seufze wieder. Heute ist nicht mein Tag denke ich träge und stehe auf.

Wenn er mich denn dann endlich in Ruhe lässt. „Meinetwegen. Lass es uns hinter uns bringen“, sage ich und sehe ihn auffordernd an. „Wirklich?“, fragt er aufgeregt und ich kann nicht anders als über seinen Enthusiasmus zu schmunzeln. „Ja, los jetzt bevor ich es mir anders überlege!“, erwidere ich und schnappe mir sein Handy das er in der Hand hält. Er steht auf. Erst jetzt fällt mir auf, das er fast einen Kopf größer ist als ich und ich schaue zu ihm auf, als er sich mir geschmeidig nähert. Er bewegt sich leicht und fließend, als würde er den Boden kaum berühren müssen um sich Fortzubewegen. Ein Tänzer schießt es mir durch den Kopf und ich bin kurz abgelenkt.

Überraschend durchfährt mich ein unerwartetes Gefühl der Vorfreude und ich zucke kurz zusammen als ich seine Hand spüre die meine Seite bis zu meiner Taille herunter gleitet. Kribbelnde Schauer durchfahren mich und ich erschaudere. Ich spüre die Bewegung seiner harten Muskel am Arm durch unsere Anziehsachen durch und mir wird auf einmal ganz heiß. Schnell setzte ich mir ein Grinsen auf und Knipse das Foto von uns beiden.

Sogleich trete ich einen Schritt zurück, so dass sein Arm von meiner Taille fällt. Erleichterung macht sich in mir breit, jedoch lässt sich der Hauch von Bedauern der darunter gemischt ist nicht verleugnen. „Eines will ich noch wissen -“, sage ich während ich ihm sein Handy wieder aushändige. Er steckt das Handy ein und sieht mich fragend an. „Um was habt ihr gewettet?“, fahre ich fort. Überrascht sieht er mich an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Um kurz zu überlegen senkt er den Blick. Einige Momente Ruhe. Als er mich wieder ansieht, stockt mir der Atem.

Tief sitzender Schmerz spiegelt sich in seinen Augen wieder und sein Gesicht drückt eine Verletzlichkeit aus wie ich sie noch nie bei einem Menschen gesehen hab. Ein Klos bildet sich in meiner Kehle und ich schlucke schwer. „Etwas, das sehr wichtig für mich ist“, flüstert er so leise das ich Mühe habe seine Worte zu verstehen. Nachdenklich schaue ich ihn stumm an, wie er mir jetzt gegenübersteht hat er nichts mehr von dem Kerl mit dem ich als erstes Bekanntschaft geschlossen hatte. Was hatte dieser Mensch nur erlebt, das ihn durch solchen Schmerz gezeichnet hat?

Ich will gerade nachfragen als mich eine schrille Stimme hinter mir unterbricht. „Liebling!“. Ich drehe mich um. Meine Mutter, eine zierliche mit4-zigerin, mit braunen Schulterlangen Haaren. Wie immer sportlich gekleidet in Jeans, einem einfachen weißen T-shirt und Turnschuhen, winkt mir von der Eingangstür aufgeregt zu.

Ich verfluche sie im Stillen. So sehr ich wie ich mir vor einer halben Stunde gewünscht hatte das sie schnell hier sein möge, so sehr wünschte ich mir jetzt sie wäre 5 Minuten später gekommen. Ich sehe den Jungen wieder an. Er hat erneut sein schiefes Grinsen aufgesetzt und wirkt wie ausgewechselt.

„Ich muss dann -“, sage ich und schaue ihm forschend ins Gesicht. Er lächelt jetzt, ganz so als wäre nichts gewesen und ich war mir fast nicht mehr sicher ob es diesen Moment vorher gegeben hatte. „Auf ein Wiedersehen“, sagt er schmunzelnd und lässt es wie ein Versprechen klingen. Ich schlucke. Mir wird plötzlich ganz heiß. Zögerlich hänge ich mir meine Tasche um und umfasse den Griff meines Koffers. Mit einem letzten Blick auf ihn wende ich mich ab und laufe Richtung meiner strahlenden Mutter.

Auf halbem Weg höre ich ihn plötzlich mit rauer Stimme meinen Namen rufen: „Yuri!“. Erstaunt wende ich mich um. 'Danke' formen seine Lippen und er neigt kurz seinen Kopf. Er hält meinen Blick mit seinen dunklen Augen gefangen und fängt an zu lächeln, ein aufrichtiges Lächeln, das von Herzen kommt und es ist als wäre alles in der Welt an seinen richtigen Platz gerückt und würde nun einen vollkommenen Sinn ergeben. Mein Herz stolpert und ich kann nicht anders, ohne mein Zutun verziehen sich meine Lippen zu dem ersten richtigen Lächeln seit langem.

 

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Comments

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Jelly_Belly
#1
Chapter 46: The feeeeeeeeeeels omg
Jelly_Belly
#2
Chapter 45: "knollnasige Trottel"
Ich packs nicht mehr :'D
_Gotka_
#3
Chapter 44: Daaaaaaaaaaaamn
_Gotka_
#4
Chapter 40: *Crying in the corner*
♥♥♥
_Gotka_
#5
Chapter 34: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#6
Chapter 33: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#7
Chapter 32: ♥♥♥♥♥
_Gotka_
#8
Chapter 30: Awwwwwwwwwwwwwww so awkward and yet so cute :3
_Gotka_
#9
Chapter 24: Bis in 3 Wochen ;-D
_Gotka_
#10
Chapter 23: Kleine Frage..fährt ihr auf das B.A.P Konzert in Düsseldorf? :D
Wie immer tolles Chapter :D