Geständnis

Tell me what to do

Nervös stand ich vor dem Restaurant, in dem ich Minho gleich treffen würde. Er würde mir endlich reinen Wein einschenken. Endlich würde ich erfahren, was passiert war. Wieso also sträubte sich gerade alles in mir, das Restaurant zu betreten? Wieso brachte ich es nicht über mich durch die Tür zu treten? Ich hatte so lange darauf gewartet, dass Minho bereit dazu war mir die Wahrheit zu sagen. Doch jetzt hatte ich Angst davor sie zu hören. Das war doch einfach alles zum Mäusemelken. Weglaufen konnte ich nicht mehr, auch wenn ich das gerade am liebsten getan hätte. Also hieß es jetzt Zähne zusammenbeißen und einfach durch.

 

Ich atmete noch ein Mal tief durch und betrat das Restaurant. Die Bedienung begrüßte mich freundlich und fragte mich, ob ich alleine sei. Ich antwortete ihr freundlich, dass ich hier mit jemandem verabredet war. Mein Blick schweifte suchend durch den Raum, doch ich konnte Minho nirgends sehen. Ich schaute auf die Uhr und merkte, dass ich ein klein wenig zu früh gekommen war. Nachdem klar war, dass Minho noch nicht hier war, fragte ich die Bedienung, ob sie einen Tisch für zwei Personen hätten. Die junge Frau nickte freundlich und führte mich zu einem freien Platz. Sie brachte Besteck und Gläser für zwei Personen und stellte auch direkt eine Karaffe voll Wasser auf den Tisch. Mit leicht zitternden Händen schenkte ich mir ein Glas ein und nippte daran. Meine Augen waren auf die Tür fixiert. Minho würde jeden Moment kommen. Er würde jeden Moment durch die Tür kommen und mir alle Fragen beantworten, die mir seit Jahren auf der Seele brannten. Wie unser Gespräch wohl ausgehen würde? Was würde die Wahrheit aus unserer neu gefundenen Freundschaft machen?

 

Noch während ich mir diese Fragen stellte, öffnete sich die Tür des Restaurants erneut. Minho trat ein und schaute sich suchend um. Er sah unglaublich ernst und bedrückt aus. Als er mich erblickte, atmete er tief ein und kam dann auf mich zu. Irgendwie erleichterte es mich, dass nicht nur ich nervös war.

„Hallo Mina.“, begrüßte mich Minho mit einem leichten zittern in der Stimme: „Schön dass du gekommen bist.“

„Ich freue mich über deine Einladung.“, meinte ich ehrlich.

Minho setzte sich mir gegenüber und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Danach schwiegen wir und nippten beide an unseren Gläsern. Wir konnten uns nicht mal in die Augen schauen. Irgendwie waren wir wieder ganz am Anfang angekommen. Wir wussten nicht, wo wir anfangen sollten die Scherben der Vergangenheit wieder aneinander zu setzten.

Minho räusperte sich und meinte: „Ähm… Was möchtest du essen? Ich lade dich ein… Such dir aus, was auch immer du willst.“

„Ich… Ähm… Samgyetang…“, murmelte ich. Minho rief die Bedienung zu uns und bestellte unser Essen. Nachdem die junge Frau wieder gegangen war, schaute Minho mich ernst an. Ich schaute mindestens genauso ernst zurück und hoffte, dass er das Schweigen brechen würde. Doch er schien mit sich selbst zu ringen. Für ihn musste es schwer sein über seinen Schatten zu springen und mir die Wahrheit zu sagen. Nun räusperte ich mich und beendete seinen inneren Kampf: „Du wolltest mit mir sprechen.“

„Ja. Ich weiß nur leider nicht so genau, wo ich anfangen soll. Aber eine Entschuldigung wäre glaube ich ganz angebracht.“, begann Minho.
„Fangen wir einfach da an, wo diese ganze Misere angefangen hat. Du brauchst dich nicht entschuldigen. Zumindest noch nicht. Das entscheide ich, nachdem ich deinen Teil der Geschichte gehört habe.“, meinte ich.

Minho nickte ernst und schaute mir tief in die Augen, ehe er sich ein Herz fasste und mit seiner Geschichte begann.

 

Flashback

Minhos POV

„Noch ein Mal von vorne!“, rief der Choreograph: „Dieses Mal mit ein bisschen mehr Begeisterung bitte!“

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und versuchte meine Atmung wieder zu normalisieren. Doch noch ehe ich auch nur ein bisschen Ruhe hätte finden können, begann die Musik. Auch wenn ich mich lieber hingelegt und geschlafen hätte, begann ich zu tanzen. Vor einem Monat hatte ich meinen Vertrag hier unterschrieben. Ich war nun offiziell Trainee. Meine Tage waren seither immer anstrengender und länger geworden. Ich ging zur Schule und versuchte meine Noten nicht schlechter werden zu lassen. Nach dem Unterricht ging ich direkt zum Training und von dort aus nach Hause. Dort angekommen fehlte mir die Energie überhaupt noch etwas zu tun, weswegen ich meistens direkt ins Bett fiel und einschlief.

 

„Das war schon viel besser!“, rief der Choreograph: „Fünf Minuten Pause und dann geht’s weiter.“

Außer Atem ließ ich mich auf den Boden fallen. Nie hätte ich gedacht, dass es so anstrengend sein würde ein Trainee zu sein. Doch hier war ich, komplett verschwitzt und erschöpft, auf dem Boden der Tatsachen. Es war verdammt anstrengend ein Idol zu werden. Ich raffte mich auf und ging mir etwas zu trinken holen. Auf dem Weg wollte ich auch direkt auf mein Handy schauen. In letzter Zeit hatte ich kaum noch Kontakt zu Mina, was mir tierisch gegen den Strich ging. Ich war jedoch immer viel zu erschöpft um mich noch mit ihr zu treffen. Noch dazu hatte man uns allen noch vor unserem ersten Training eingebläut, dass wir von nun an allem voran Trainees waren. Unsere ganze Energie sollte ins Training fließen und in nichts anderes, sonst würden wir es nicht weit bringen. Da ich es weit bringen wollte, war klar, dass ich mich jetzt voll und ganz auf meine Karriere konzentrierte. Egal wie sehr ich Mina liebte, ich musste nun meinen Beruf an erste Stelle stellen.

 

Ich hatte gerade mein Handy aus meiner Tasche gekramt, als ich von einem der Trainer angesprochen wurde: „Minho richtig?“

Ich nickte und schaute den Mann vor mir erwartungsvoll an. „Du bist gut. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass du mit deinem Kopf nicht ganz bei der Sache bist.“

Verwundert schaute ich ihn an. Ich hatte nicht das Gefühl, als würde ich weniger als hundert Prozent beim Training geben.

„Ich gebe wirklich mein bestes.“, verteidigte ich mich: „Was soll ich denn verbessern?“

„Das ist nicht, worauf ich hinauswollte. Ich sehe, dass du dich sehr anstrengst, aber irgendwie habe ich das Gefühl du bist mit deinem Kopf nicht hier, sondern machst dir Gedanken über etwas anderes.“, erklärte er. Ich nickte nur. Was brachte es zu leugnen? Mit meinem Kopf war ich die ganze Zeit bei Mina. Bei meinen Schuldgefühlen ihr gegenüber. Sie sah mit jedem Tag, an dem ich keine Zeit für sie hatte, niedergeschlagener aus.

Der Trainer seufzte, klopfte mir auf die Schulter und meinte: „Junge, es ist doch ganz klar, dass es um ein Mädchen geht. Ich kenne diesen Blick. Glaub mir, ich habe ihn schon oft genug gesehen. Aber weißt du, du bist noch jung. Dieses Mädchen ist nur eine von vielen. Außerdem, wenn du erst mal richtig unter Vertrag bist, darfst du eh nicht daten.“

Fassungslos schaute ich ihn an. Mina war doch nicht irgendwer. Sie war Mina! Meine Mina! Sie war alles, was ich brauchte und noch so viel mehr. Sie würde immer meine Mina bleiben. Da konnte auch ein blöder Vertrag nichts ändern.

Als hätte der Trainer meine Gedanken erraten, seufzte er und meinte: „Wirst schon sehen Junge. Wirst schon sehen.“ Er drehte sich von mir weg und lief zu einem anderen Trainee, um ihm ein paar Tipps zu geben. Ich schaute ihm fassungslos nach. Seine Worte beschäftigten mich leider mehr, als mir lieb war. Klar, ich liebte Mina, aber wie fühlte sie für mich? Gestehen konnte ich ihr meine Gefühle jetzt nicht mehr. Wenn sie das Gleiche fühlte wie ich, würde ich wegen meinem Vertrag nicht mit ihr zusammen sein können. Sollte sie mich nicht lieben, würde unsere Freundschaft wahrscheinlich auch den Bach runtergehen, wenn ich ihr meine Gefühle offenbarte. Das konnte ich nicht riskieren. Durch die Worte des Trainers war tief in mir die Angst, Mina für immer zu verlieren, gewachsen. Sie war wie Eis, das sich in meiner Magengegend festgesetzt hatte. Wie sollte ich mich nach so einem Gespräch besser auf das Training konzentrieren?

 

Tatsächlich war das Training nicht unbedingt besser verlaufen, nachdem mein Trainer mir gesagt hatte, ich solle mich besser darauf konzentrieren. Eher im Gegenteil, ich schaffte es einfach nicht mehr, mir auch nur einen Tanzschritt richtig zu merken. Alles in meinem Kopf war gerade voller Sorge Mina zu verlieren. Ich nahm mir fest vor direkt nach dem Training mit ihr zu telefonieren und mich zu versichern, dass zwischen uns noch immer alles gut war. Natürlich war zwischen uns noch alles in Ordnung! Wieso sollte es auch anders sein?

 

Nachdem das Training beendet war, beeilte ich mich aus dem Gebäude zu kommen. Ich traute mich nicht drinnen mit Mina zu telefonieren. Was wenn mich einer unserer Trainer hören würde? Dann dürfte ich mir anhören, dass ich Mina fallen lassen solle. Draußen angekommen, lief ich bis zur nächsten großen Kreuzung und zückte dann mein Handy. Ich wählte Minas Nummer und betete, dass sie abheben würde.

„Hallo?“, fragte Mina mit leicht verschlafener Stimme.

„Mina, ich bin‘s Minho.“, antwortete ich: „Habe ich dich geweckt?“

„Minho?! Nein nicht wirklich. Ich habe nur ein wenig vor mich hingedöst. Wo bist du grade?“, fragte Mina.

„Ist das Minho?“, hörte ich eine Stimme im Hintergrund fragen. Sofort wurde mir flau in der Magengegend. Wer war gerade bei ihr? Wieso döste sie in der Gegenwart eines Jungen? Was zur Hölle war hier los?

„Ich ähm… ich… Wer ist das?“, fragte ich nun misstrauisch.

„Ach das war nur Jaejin. Wir haben heute zusammen gelernt.“, meinte Mina.

Ich kannte Jaejin. Er war in unserer Klasse und ein eher unscheinbarer Junge. Er und Mina hatten nie wirklich viel miteinander zu tun gehabt. Wieso also trafen sie sich plötzlich?

„Achso...“, murmelte ich und wusste nicht, wie ich mit dem Gefühl der Eifersucht umgehen sollte.

„Hast du aus einem bestimmten Grund angerufen?“, fragte Mina nun neugierig.

„Nicht wirklich. Ich muss jetzt auch auflegen. Tut mir Leid gestört zu haben.“, meinte ich und legte auf, ohne auch nur ihre Antwort abzuwarten. In mir brodelte die Eifersucht und mischte sich mit meiner Angst. Was wenn Mina sich schon jetzt komplett von mir abgewannt hatte? Was wenn sie mich jetzt überhaupt gar nicht mehr wollte? Hatte Jaejin vielleicht Gefühle für Mina? Hatte sie vielleicht auch Gefühle für Jaejin? Hatte er jemals Interesse an ihr gezeigt? Hatte mein Trainer vielleicht doch Recht gehabt? All diese Fragen schwirrten durch meinen Kopf und schürten meine Angst Mina zu verlieren.

 

„Minho!“, hörte ich eine mir bekannte Stimme direkt hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und sah direkt in die Augen von Suho. Er lächelte mich an und meinte: „Hast du mich nicht gehört? Ich habe dich die ganze Zeit gerufen.“

„Tut mir Leid, Hyung. Ich war in Gedanken.“, entschuldigte ich mich und versuchte ein Lächeln auf die Reihe zu bringen. Anscheinend versagte ich so sehr bei meinem Versuch, dass Suho mich besorgt zu mustern begann.

„Ist irgendwas nicht in Ordnung?“, fragte er besorgt.

„Alles ist gut.“, meinte ich und versuchte wieder zu lächeln. Suho verschränkte die Arme vor der Brust und sagte bestimmt: „Du merkst schon, dass du gerade nicht unbedingt überzeugend bist. Komm schon, wir sind Freunde. Lass uns reden.“

Ich nickte nur ergeben und ließ mich von meinem Trainee-Kollegen ins nächstbeste Café zerren. Nachdem wir uns Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen geholt hatten, setzten wir uns auf einen freien Platz. Suho schaute mich erwartungsvoll an. Ich seufzte schwer und begann ihm von meiner Misere zu erzählen. Er hörte sich meine ganze Geschichte an, ohne mich zu unterbrechen. Er saß einfach nur da und nickte ab und zu.

„Jetzt mache ich mir eben totale Sorgen, dass sie sich in einen anderen verlieben könnte und ich sie für immer verlieren werde. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll“, beendete ich meine Erklärung.

„Naja, so wie ich das sehe, hast du genau zwei Möglichkeiten. Entweder du sagst ihr was Sache ist und offenbarst ihr deine Gefühle, oder du lässt es bleiben, nimmst aber damit in Kauf, das zwischen euch beiden alles zerbricht.“, meinte Suho nachdenklich.

„Aber das kann ich beides nicht machen.“, murmelte ich und legte meinen Kopf auf den Tisch: „Ich will nicht, dass sich irgendwas zwischen uns verändert.“

„Ach Minho, Veränderungen sind doch nicht schlecht. Wer weiß, vielleicht wird ja alles genau so, wie du es dir wünscht.“, meinte Suho: „Aber du musst dir auch im Klaren darüber sein, dass ihr keine Beziehung führen könnt. Denk einfach nur an deinen Vertrag. Du hast unterschrieben, dass du keine Freundin haben wirst.“

„Das weiß ich auch. Verdammt noch mal! Was soll ich denn machen?“, fragte ich verzweifelt.

„Naja eine dritte Möglichkeit wäre auch noch ein glatter Bruch.“, meinte Suho: „Das ist nicht unbedingt etwas, was ich dir raten würde. Das wird nämlich schmerzhaft für euch beide und danach wird es zwischen euch auch nie wieder so werden, wie es jetzt ist. Aber du hättest deinen Kopf für die Arbeit frei und müsstest dir nicht andauernd Sorgen darübermachen, was aus euch wird, wenn es so oder so kein euch geben kann.“

Flashback Ende

„Naja, wofür ich mich entschieden habe, kannst du dir ja bestimmt denken. Ich wollte einfach nur, dass wir beide unser Leben weiterleben können, ohne die ganze Zeit verletzt zu werden.“, murmelte Minho deprimiert.

„Das war dumm.“, sagte ich sofort: „Das war einfach nur bescheuert! Meinst du ich war in der Lage mein Leben einfach so weiter zu leben, nachdem mein bester Freund mich hat sitzen lassen?“

„Du warst so beliebt… Ich dachte du wirst schnell Ersatz für mich finden.“, meinte Minho reumütig.

„Du bist unersetzbar.“, meinte ich.

„Danke.“, nuschelte Minho lächelnd.

Doch mir brannte noch eine andere Frage auf der Seele, dich ich unbedingt loswerden musste: „Wieso hast du dann plötzlich wieder Kontakt zu mir gesucht?“

„Ich will jetzt wirklich ehrlich mit dir sein. Ich konnte dich einfach nicht vergessen. All die Jahre lang nicht. Jetzt wo wir im Geschäft schon eher ältere Hasen sind, hat sich unser Vertrag geändert.“, erklärte Minho und grinste.

„Heißt das, deine Gefühle für mich sind immer noch die gleichen?“, fragte ich nervös.

„Für mich hat sich nichts verändert.“, sagte Minho und schaute mich hoffnungsvoll an. Ich schluckte schwer. Da saß Minho und sagte an sich die Worte, die ich vor ein paar Jahren noch unbedingt hatte hören wollen. Eigentlich sollte mein Herz jetzt nicht vor lauter Nervosität schneller schlagen, sondern vor Freude. Aber dem war leider nicht so.

„Ach Minho.“, seufzte ich: „Für mich warst du auch viel mehr als ein guter Freund. Für mich warst du derjenige, mit dem ich mir vorstellen konnte, mein Leben für immer mit ihm zu verbringen. Aber es ist viel passiert.“

„Es kann wieder so werden.“, meinte Minho sofort und griff nach meiner Hand: „Ich kann wieder dieser jemand werden.“

Ich löste meine Hand aus seinem Griff und meinte: „Minho, ich weiß nicht genau wie ich es sagen soll, aber ich glaube direkt heraus mit der Wahrheit ist besser.“

„Du… Du hast jemand anderen oder?“, fragte Minho sofort. Ich nickte nur und schaute auf das Glas Wasser vor mir.

„Wer?“, fragte Minho: „Wer ist es?“

Sein Blick sprach mehr als tausend Worte. All die Verletzung und Wut die darin lagen brachen mir das Herz. Am liebsten hätte ich ihn angelogen und ihm einfach irgendeinen Namen genannt, nur nicht diesen einen Namen, der ihn so sehr verletzten würde. Doch was brachte es ihn anzulügen? Irgendwann würde er so oder so die Wahrheit erfahren. Außerdem hoffte ich, dass wenn er die Wahrheit aus meinem Mund hören würde, er mir irgendwie verzeihen würde.
„Es tut mir Leid. Es ist Taemin.“

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Comments

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Shurracaro #1
Chapter 8: Oh man deine Geschichte ist soooo genial! Mein Herz rast richtig. Ich freu mich sehr die nächsten Kapitel zu lesen ❤