and my dreams;

setsunai; [koi tsudu]

_________________________   far away.
                         

Roo Panes - Know Me Well

 

Er begann zu laufen, denn so fühlte er, wie er jeglichen Schmerz in den Boden stampfen konnte und das Scherbenmeer weniger unter seinen Füßen schmerzte.

Im Büro angekommen, stieß er beinahe gegen seinen Spind. Mit zitternder Hand zog er den Schlüssel aus seiner Tasche und brauchte drei Anläufe, um aufsperren zu können.

Er krallte sich die Kleidung, riss die Fotos, die er von Nanase mit den zwei Kindern aufgehängt hatte, heraus. Auch seine Bücher, der Becher, die Zahnpasta und die Zahnbürste. Alles wurde auf den Tisch geworfen, der Spind offen gelassen und er wanderte weiter um sich umziehen zu können.

Er musste aus diesem Krankenhaus.
Er musste aus dieser verdammten Kleidung.

Sein Oberteil riss er beinahe in zwei Teile. Auf seinem Bauch war ebenfalls Blut. Er strich vorsichtig über die Haut und ein Stich fuhr in sein Herz.

Er könnte schwören, dass für einen kleinen Bruchteil einer Sekunde immer wieder sein Herz kurz versagte.

Seine Brust fühlte sich eng an, als schnürte sich sein Körper selbst die Luft ab.

Wie konnte ihn das Blut nur so aus der Verfassung bringen.

Er strich mit den Händen über die verkrusteten Stellen seiner Oberschenkel und spürte wieder die Tränen über seine Wangen laufen.

Kairi drehte sich um und sah sich im Spiegel an.

Seine Augen blitzten finster, widerspiegelten seine innerliche Wut, und war das Blut auf seinen Wangen die Komponente Realität.

Er wollte sich das ganze Leid vom Körper waschen, vielleicht würde es dann erträglicher werden.

Doch der erneute Stich in seinem Herzen war aussagekräftig genug.

Er stand geistig an der Klippe. Nur ein kleiner Stupser und er stolperte in das endlose Loch vor ihm.

Kairi tauschte seine Kleidung, faltete alles schön zusammen und warf sich den Kittel über die Schulter.

Er wollte ihn aus seinem Sichtfeld haben.

Sein Weg führte ihn zum Waschbecken. Das Päckchen wurde zur Seite gelegt, wie auch der weiße Mantel und er drehte den Wasserhahn auf.

Er war sich noch nicht sicher, ob er dies überhaupt wollte.

Sein Blick fiel zum Wasserhahn, der Dampf der vom heißen Wasser in seine Nase stieg und das Rauschen das einzige Geräusch im Raum war.

Langsam fuhr er mit einem Finger auf den Wasserstrahl zu, zuckte aber wieder zurück.

Nicht wegen der Wassertemperatur.
Mehr wegen seines nicht mehr vorhandenen Herzens. Es schmerzte.

Erneut sah er sich im Spiegel an.

Er strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und schaltete den Wasserhahn aus.

In der Stille konnte er sein Herz vielleicht noch hören.

Seine Augen wirkten müde, seine Haut blass. Kairi fühlte sich verlassen und machtlos.

Er hatte versagt.

Dies war ihm schon seit wenigen Minuten schmerzlich bewusst. Er hat als Vater und als Arzt versagt.

Hätte er mit ihr gewartet, hätte er es vorausgesehen?

Immer wieder schwebte dieser Gedanke durch seinen Kopf.

Er hätte sie beschützen können.

Vielleicht.

Vielleicht hätte sie mitansehen müssen, wie er auf der Straße gestorben wäre.
Vielleicht wäre Yukiya auch bei den Verletzten dabei.

Vielleicht würde er sich besser fühlen.

Tränen flossen kaum mehr. Als würde er keine mehr besitzen.

Vielleicht sollte er aufhören sich in seinem Kopf vorzustellen, wie das Massaker ausgesehen hat.

Er schnappte seine Kleidung und ging direkt in das Büro.

Dort hing er den Kittel auf den Stuhl und seine Kleidung legte er auf seinen Laptop. Die Ausweiskarte wurde darauf gelegt.

Eine Hand fuhr vorsichtig auf das Stoffhäschen zu, doch er traute sich nicht, es zu berühren.

Es war mit guten Gefühlen verbunden und doch verbarg es Schmerzen. Er konnte sich nicht entscheiden.

Stattdessen warf er seine Sachen hektisch in die Tasche und verstaute auch ein paar Bücher, die auf dem Schreibtisch gestanden waren.

"Verlässt du uns?"

Kairi ließ die Tasche fallen und sah auf. Kisugi saß auf seinem Platz und scheint bereits auf ihn gewartet zu haben. Sakai lehnte an der Tischkante und entschuldigte sich. Sie verschwand.

Tendo nickte. Er brachte keine Worte mehr hervor.

Der Chef der Kardiologie, der vorhin noch unentdeckt von Kairi gewesen war, hat ihm bereits zugesehen, wie er den Spind ausgeräumt hat.

"Wir brauchen dich hier", erhob dieser sich.

Am liebsten wäre es Tendo, wenn sie ihn einfach gehen ließen. Als hätten sie nicht genug gehört, von seinen Schreien, die in seinem Hinterkopf immer noch präsent waren.

"Ich will nicht hierbleiben", hauchte er und klammerte sich an die Sessellehne, sodass seine Knöchel weiß anliefen. "Ich will das nicht mit euch diskutieren."

"Du hast nichts falsch gemacht", versuchte Kisugi ihn aufzumuntern und hustete. Kairi scheute seinen Blick. Er sah vor sich auf seine Ausweiskarte.

"Ich habe versagt!"

Kisugi erhob sich ebenfalls und scheint ihn mit dieser Antwort nicht gehen lassen zu wollen. Auch wenn Tendo offenbar ertrank in Selbstmitleid und an ihn gerichteter Wut, war dies noch kein Grund, sich selbst zu beschuldigen.

"Du bist nicht verantwortlich, wenn bei der Erstversorgung schon etwas schief läuft."

Kairi verstummte. Er biss die Zähne zusammen.

"Du verstehst das nicht", knurrte er und Kisugi kam auf ihn zu.

"Ich als Arzt sollte wissen was ich tun soll", strich er dem Hasen über das Ohr und entspannte sich. Er sah auf und Kisugi so tief in die Augen, dass ihm sichtbar unbehaglich wurde, sodass er stehen blieb.

"Doch ich war blank", deutete er mit dem Finger auf seine Stirn. "Ich habe jede Entscheidung aus dem Bauch getroffen und sie waren alle falsch."

"Jede einzelne", tropfte eine Träne von seiner Wange auf die Karte.

Wahrscheinlich wäre er Kisugi an den Kragen gegangen, doch er war nicht schuldig für die kochende Wut in ihm. Er meinte es doch nur gut, um Kairi ein besseres Gewissen zu reden. Doch die Diskussionszeit war vorbei, schon seitdem er in die Kardiologie gekommen war.

In seinen eigenen Augen hat er versagt.

Er schnappte seine Tasche vom Boden und schritt bis zur Tür, bevor er, ohne sich umzudrehen, noch einen letzten Satz verlor.

"Wenn ich meine Tochter nicht retten kann, für wen bin ich dann Arzt."

So machte er schnelle Schritte durch den Gang und kam an der Station vorbei. Erinnerungen holten ihn ein. Erneut.

Vorsichtig lugte ein Kopf durch die Tür.

Sie trat in die Stadion und sah sich um.
Sie war in eine dunkelblaue Schuluniform gekleidet und eine kleine lederne Schultasche geschultert.

Sie begrüßte jeden, der ihr über den Weg ließ, höflich und kam zur Station, über welche Tischkante sie mit Mühen lugen konnte.

"Was kann ich für dich tun?", fragte sie die Schwester in ihrer hellblauen Kleidung.

"Ich bin Miyu Sakura. Ist Papa da?"

Die Schwester drehte sich um sah zu Sakai. Sie deutete ihr den Fall Tendo/Sakura anzunehmen.

"Komm' rein, Miyu", rief ihr die jüngere und das kleine Mädchen lief voller Freude durch den kleinen Spalt auf Sakai zu.

"Papa ist gerade im OP, aber er müsste bald zurück sein."

Sakai setzte Miyu auf den Tisch und nahm ihr die Schultasche ab. Auch die kleine Jacke wurde abgelegt und sie griff zur Seite, um der Kleinen etwas zu geben, zu dem sie wenig Gelegenheit hatte.

In dem weißen Kittel von Papa wirkte sie noch zierlicher als normalerweise. Doch sie lächelte so breit, dass ihre Mundwinkel bereits zu den Ohren reichten.

"Darf ich mit dir auf Visite gehen?"

Sie war eifrig wie immer, doch Sakai deutete nur auf die Schultasche.

"Erst Hausaufgaben, dann das Vergnügen."

Die Schwester hob sie wieder vom Tisch und setzte sie stattdessen auf den Hocker, den meist die Oberschwester verwendete. Sie bekam ihre Schultasche und wusste, wenn Papa da war, dürfte sie endlich etwas Spannendes erleben.

So steckte sie fleißig ihre Nase in Matheaufgaben, während Sakai und Numani ihr immer wieder weiterhalfen.

Bis nun endlich der schwer erhoffte durch die Tür kam, die Kleine ihn aber noch nicht erkannte.

Mit einem Lächeln schlich er sich an und schnappte sie an der Hüfte, um sie auf seine Schultern zu setzen.

"Dann brechen wir mal auf, Doktor Miyu."

Er salutierte, wie auch sie und begann zu lächeln, als sie in eine Richtung zeigte und sich an seinen Haaren festhielt, dass er durch die in sein Gesicht hängenden Ärmel nichts mehr sah.

Die Tür ging auf, er trat in die leere Wohnung.

Yukiya war noch im Kindergarten und Nanase offenbar nicht hier oder schlief.

Er wollte sowieso nicht lange bleiben.

Es blieb dunkel in der Wohnung. Er schaltete das Licht nicht an, nur die dünnen Sonnenstrahlen zwängen sich durch einen Spalt im Vorhang und spendeten Helligkeit.

Er schlüpfte aus den Schuhen und zerrte bereits seit einigen Minuten an seinem Finger.

In seinem Hinterkopf hörte er das Lachen der Kinder. Es schmerzte so sehr.

Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Er stolperte über Kinderschuhe.

Eine Träne floss über seine Wange.

Er konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. Dies hat er auf dem Heimweg beschlossen. Er wird etwas Zeit brauchen, bis er wieder Nanase ansehen konnte.

Kairi stand mitten im Wohnzimmer und hatte endlich den Ring von seinem Finger gebracht, als sie gähnend aus dem Schlafzimmer kam. Sie müsste die Haustür gehört haben.

"Bist du schon so früh zuhause?"

Sie kniff die Augen zusammen und sah nur auf seine Hand, die zu einer Faust gemacht, ihr entgegengestreckt wurde.

Er wurde ohne ein Wort ihr den Ring geben und einfach gehen. Wohin, wusste er noch nicht.

"Ist etwas passiert?", fragte sie erneut und schritt zum Fenster; zog kräftig die Vorhänge auf.

Kairi kniff leicht die Augen zusammen und schirmte das helle Sonnenlicht mit der Hand ab.

Nanase erschauderte, als sie ihn sah.

"Schatz, was ist..."

Er sah sie an, als hätte er jemanden ermordet und müsste nun untertauchen. Sein Ring wanderte zwischen Daumen und Zeigefinger und schimmerte in der Sonne. Er war ebenfalls mit Blut beschmiert.

"Es tut mir so leid, Nanase", senkte er den Blick und machte einen Schritt auf sie zu. "Ich kann dich nicht mehr ansehen."

Nanase starrte ihn nur an und nahm den Ring, bevor sie ihn wieder an seinen Finger steckte. Er wehrte sich nicht.

Er benahm sich, als wäre er eine leere Hülle seiner selbst.

Sie ließ jedoch seine Hand nicht los und musterte das Blut.

Er war noch nie blutverschmiert von der Arbeit gekommen. Seine Tasche sank von seiner Schulter, bevor sein Kopf in die Hand wanderte und er erneut zu weinen begann.

"Ich habe Miyu verloren."

Nanase war zu perplex, dass sie den Sinn hinter diesen Worten verstand und führte ihn zum Sofa, wo sie sich niederließen. Sie ließ seine Hand nicht los.

Wie Miyu.

"Sie hat zu viel Blut verloren."

Diese Fetzen neben dem Weinen von Kairi waren alles, was er hervorbrachte. Sie strich ihm über den Rücken und fragte einmal, mit leiser Stimme, als würde sie zerbrechen, ob er ihr doch alles erzählen könnte.

Warum wirkte sie so gefasst.

Ihr Kopf hatte wahrscheinlich den wahren Sinn hinter diesen Worten noch nicht aufgearbeitet. Wie er sich wünschte, es auch noch nicht realisiert zu haben.

"Ich bin mit ihr auf meinen Händen durch das Krankenhaus gerannt."

Er atmete tief durch und hob den Kopf aus der Hand. Sie sank auf seinen Schoß.

"Ein Mann sei mit einem Messer auf sie losgegangen. Miyu hat zwei Menschen das Leben gerettet."

Seine Lippen zitterten und er schaffte es endlich, in das Gesicht von Nanase zu sehen. Sie hatte auch ein paar Tränen vergossen.

"Sie hat mich gefragt, ob sie als Heldin sterben würde", schniefte er und drückte Nanase ganz fest an sich.

"Sie ist mir unter den Händen weggestorben."

Nanase schniefte und brach mit ihm in eine Art Weinkrampf los. Sie saßen nur eng umschlungen da und versuchten die Realität zu verarbeiten.

"Ich habe sie verloren", hauchte er leise und hatte immer noch keinen Frieden mit sich selbst geschlossen, richtig gehandelt zu haben. "Ich bin nutzlos."

Nanase war für einen kurzen Moment still, als würde sie über seine Worte nachdenken.

Er gab sich die Schuld dafür.
Laut Kisugi war es von Anfang an zu spät gewesen.

Er wusste nicht mehr, was er glauben soll.

Und Nanase brachte Worte auf, die das erste Mal, seit gefühlten Jahren, wieder etwas Leben um sein taubes Herz zauberte.

"Wenigstens ist sie als Heldin in deinen Armen gestorben", fuhr ihre Hand durch seine Haare und drückte seinen Kopf an ihre Brust, um ihn zu trösten. "Ohne Angst. Vielleicht zwar mit etwas Schmerz. Aber sie war da, wo sie sich am meisten wohl gefühlt hat. Und niemand, wirklich niemand, nicht einmal du kannst mir erzählen, dass du versagt hast."

Sie drückte Kairi einen Kuss auf die Stirn und musste einen Moment mit der Fassung kämpfen.

"Denn Miyu hätte sich nichts besseres verdient, als in den Armen ihres Vaters einzuschlafen. Den Menschen, zu dem sie am meisten aufgeschaut hat."

Kairi begann erneut zu weinen und klammerte sich an Nanase. Seine Kopfschmerzen pochten um seine Schläfen.

"Ich will sie wieder zurück", hauchte er und auch Nanase konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

"Ich doch auch", war ihre Stimme leise und zerbrechlich.

Auch wenn sie spielte, für ihn stark zu sein, spürte er ihre Trauer. Ihren Schmerz, der in ihrem Herzen pochte. Es schlug so leise und schwach, wie seines.

Und er hatte Angst, deswegen Kind Nummer Drei zu verlieren.

"Ich weiß nicht wie ich das Yukiya erklären soll", löste sich Kairi und richtete sich auf. Er war entbrannt, den kleinen aus dem Kindergarten zu holen, doch Nanase hielt ihn zurück. Ihre Hand klammerte sich an sein Handgelenk.

"Du wirst den Kindern Angst einjagen, Liebling."

Er sah auf seine Hände hinab. In seinem Kopf sah er Miyu noch auf seinen Armen liegen. Er spürte das Gewicht ihres leichten Körpers. Als würde sie nie jemand von seinen Händen genommen haben.

"Ich kann es nicht abwaschen", legte er eine Hand an seine Wange. "Das ist alles, was ich noch von ihr habe."

Und als spürte ihr Ausstrahlung nur im Raum schweben, wurde es warm um sein Herz.

 

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Comments

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airauralintensity
#1
Chapter 5: i used machine translation to read this fic, and i almost wish i didn't. it was so simple, yet it hurt so much. should i thank you or yell at you? 😭
TheLonelyDandelion #2
Chapter 2: I love your fanfiction, keep up the good work