Das Versprechen

Tell me what to do

Minhos POV

Ich konnte nichts weiter tun, als Mina und Taemin nachzuschauen. Nachdem die beiden um eine Ecke verschwunden waren, blieb ich noch ein paar Momente wie bestellt und nicht abgeholt stehen. Langsam sickerte die Erkenntnis durch mich hindurch. Ich hatte sie schon wieder verloren. Schon wieder wegen meiner eigenen Dummheit. Hätte ich ihr von nur von Anfang an die Wahrheit gesagt. Dann wäre ich jetzt nicht in dieser Situation. In mir baute sich immer mehr Wut auf. Wut auf mich selbst, Wut auf die Situation, Wut auf Taemin. Für mich trug er mit Schuld an der mieseren Lage in der ich mich grade befand. Wieso auch immer, er machte sich an Mina ran und das wollte mir gar nicht gefallen. Was hatte er sie nur gefragt? Was hatte er ihr erzählt? Was war an diesem Nachmittag geschehen? Wieso hatte sie mich von sich gestoßen? All diese Fragen rasten durch meinen Kopf und schürten die Wut in meinem Bauch. Ich hatte so lange darauf gewartet sie wieder bei mir zu haben. Ich hatte all die Jahre nur darauf gewartet sie endlich kontaktieren zu können. Alles war umsonst gewesen. Alles war meine eigene Schuld. Die Wut wurde immer unerträglicher. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schlug fluchend auf die Wand neben mir ein. Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen können? Als ich den Großteil meiner Wut an der Wand ausgelassen hatte, ließ ich mich einfach kraftlos auf den Boden sinken. Neben der Wut war nun auch das bedrückende Gefühl des Verlusts gekommen. Hatte ich sie wirklich verloren? Noch während mir diese Frage durch den Kopf ging, hörte ich Stimmen. Jemand lief gerade in meine Richtung. Eigentlich sollte ich aufstehen und so tun als sei alles in Ordnung. Nachher würde mich ein wichtiger Kunde in diesem Zustand sehen. Eigentlich sollte ich meine professionelle Maske aufsetzen. Aber jetzt gerade schien mir das unmöglich. Alles was ich wahrnahm war die Angst Mina für immer verloren zu haben.

Ich hörte wie die Stimmen immer näher kamen und dann plötzlich verstummten. Kurz darauf hörte ich Schritte näherkommen. Eine Hand legte sich vorsichtig auf meine Schulter und eine mir bekannte Stimme sagte: „Minho, alles in Ordnung?“
Sah ich etwa so aus, als sei alles in Ordnung? Ich hob meinen Kopf und schaute direkt in die besorgten Augen unseres Leaders. Er hatte sich neben mich auf den Boden gekniet. Hinter ihm stand sein Manager und schaute nervös hin und her. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, dass jemand mich so sehen könnte und etwas an die Presse weitergab. Ich sah wie er sein Handy zückte und eine Nummer wählte. Wahrscheinlich rief er gerade meinen Manager an, um ihm mitzuteilen, was hier gerade los war. Lustig oder? Er wusste nicht mal was los war.


„Bist du verletzt? Du blutest“, meinte Jinki nun sehr besorgt. Ich schaute ihn verwirrt an und warf dann einen Blick auf meine Fingerknöchel. Tatsächlich hatte ich sie an der Wand blutig geschlagen. Ich konnte nicht anders als zu lachen. Ich hatte gar nicht gespürt, dass ich verletzt war, bis Jinki es mir gesagt hatte. Genauso war es mit Mina gewesen. Ich hatte gar nichts gemerkt, bis es zu spät war und sie mir alles ins Gesicht geschrien hatte.

Jinki schaute mich nun noch einen Hauch besorgter an. Ich musste wirken, als hätte ich den Verstand verloren. Vielleicht hatte ich das auch. Vielleicht hatte Mina mir tatsächlich den letzten Funken Verstand geraubt.
„Ok, das reicht. Wir müssen ihn vom Gang wegschaffen. Stell dir nur mal vor irgendjemand sieht ihn so.“, meinte der Manager zu Jinki: „Der Junge wirkt ja schon beinahe wahnsinnig.“
„Hilf mir ihn auf die Beine zu kriegen.“, meinte Jinki.
Die beiden Männer hievten mich auf die Beine und führten mich zu den Aufzügen. Sie berieten, was sie am besten mit mir anfangen sollten. Schnell war beschlossen, dass es das beste sei, mich in den Dorm zu schaffen. Sie schleiften mich also in die Tiefgarage und ins Auto. Zwischen drinnen fragte mich Jinki immer wieder was denn los sei. Ich schüttelte nur immer wieder mit dem Kopf. Ich konnte einfach nicht darüber reden. Ich konnte nicht ein Mal darüber nachdenken. Hatte Mina sich die letzten Jahre so gefühlt wie ich mich jetzt fühlte? Nur das sie keine Erklärung dafür hatte, warum ich sie von mir gestoßen hatte. Ich fühlte mich schrecklich. Das hatte ich ihr wirklich nicht antun wollen. Damals hielt ich es für das Beste. Immerhin hatte sie jemanden verdient, der sich gut um sie kümmern konnte und Zeit für sie hatte. Dieser jemand hatte ich einfach nicht sein können. Wieso hatte ich geglaubt, das ich jetzt einfach wieder einen besonderen Platz in ihrem Leben hätte kriegen können?
Jinki und sein Manager verfrachteten mich ins Auto. Jinki half mir dabei mich anzuschnallen, während der Manager sich hinters Steuer setzte. Als wir los fuhren, kramte ich meinen Geldbeutel aus der Jackentasche. In ihm hatte ich das Armband, das Mina mir geschenkt hatte. Ich erinnerte mich an den Tag, als wäre er gestern gewesen. Mit dem Versprechen, das ich ihr damals gegeben hatte, hatte die ganze Misere überhaupt angefangen.

Flashback

Es war ein sonniger Tag im April. Das Wetter draußen war wunderschön. Die Sonne schien und die Kirschbäume standen in voller Blüte. Doch das alles konnte meine Stimmung nicht heben. Seit einiger Zeit hatte ich extrem schlechte Laune. Woran das lag? Ich hatte meinem Vater von meinem Wunsch ein Fußballer zu werden erzählt. Er war davon nicht besonders begeistert gewesen. Ich war mir zu hundert Prozent sicher gewesen, dass er meinen Traum unterstützen würde. Umso enttäuschter war ich, dass meine Hoffnungen nicht erfüllt worden waren. Dann war mir vor zwei Tagen auch noch ein merkwürdiger Typ begegnet, der unbedingt wollte, dass ich zu einer Audition von SM Entertainment ging. Ich war mir noch immer nicht sicher, ob ich wirklich gehen sollte. Doch was hatte ich anderes übrig? Mein Plan Fußballer zu werden, war den Bach runter gegangen. Vielleicht hatte ich ja Glück und würde ein Idol werden.


„Minho, könntest du die Antwort zur Aufgabe sagen“, bat meine Mathelehrerin. Ich schaute von meinem Buch auf und schaute sie verwirrt an. Ich hatte gar nicht aufgepasst und entsprechend keine Ahnung worum es gerade ging.
„X ist 75“, hörte ich Mina hinter mir flüstern.
„X ist 75?“, antwortete ich schnell.
„Sehr schön.“, meinte die Lehrerin und wandte sich wieder der Tafel zu.
Ich drehte mich zu meiner besten Freundin um und flüsterte ein leises Danke in ihre Richtung. Sie lächelte mich nur an und wandte sich dann wieder ihrem Textbuch zu. Als sie mich angelächelt hatte, hatte mein Herz sofort ein bisschen schneller geschlagen. Erst vor kurzem war mir klargeworden, dass sie mehr für mich war, als nur eine gute Freundin. Ich bekam sie einfach nicht aus meinem Kopf. Egal was ich tat, irgendetwas erinnerte mich immer an sie. Auch wenn sie gerade nicht in meiner Nähe war, sah ich sie immer vor meinem inneren Auge. Alles in meinem Kopf kreiste einzig und allein um sie. Gesagt hatte ich ihr jedoch nichts von meinen Gefühlen. Viel zu groß war die Angst abgewiesen zu werden und unsere Freundschaft zu zerstören.

Nach dem Unterricht drehte ich mich komplett zu Mina um und bedankte mich noch ein Mal für ihre Hilfe beim Unterricht. Doch sie schien mir gar nicht richtig zu zuhören. Sie schaute angestrengt auf ihr Handy, das vor ihr auf dem Tisch lag. Sie tippte schnell eine Nachricht ein und schaute dann zu mir hoch. Entschuldigend meinte sie: „Es tut mir Leid, ich habe dir nicht richtig zugehört. Was hast du gesagt?“

„Ich wollte nur wissen mit wem du schreibst.“, wiederholte ich meine Frage.

„Mit Minsuk.“, war ihre einfache Antwort.

Ich schaute sie überrascht an. Nicht das ich was dagegen hatte, dass sie mit meinem älteren Bruder in Kontakt war, doch in letzter Zeit steckten die zwei viel zu oft die Köpfe zusammen. Sie schienen ein Geheimnis vor mir zu haben. Letztes Wochenende war Mina zu uns nach Hause gekommen und hatte sich sofort in Minsuks Zimmer begeben. Die beiden waren erst nach einer geschlagenen Stunde rausgekommen und auf meine Frage was sie gemacht hatten, hatten sie mir keine Antwort gegeben. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, nagte das sehr an mir. Ich war eifersüchtig auf meinen großen Bruder. Noch dazu hatte ich Angst, dass Mina tatsächlich auf ihn stand. So lief es doch immer in Dramen, oder?

„Jetzt schau nicht so überrascht.“, murrte Mina und drehte ihren Kopf beleidigt zur Seite. Sie schaute beleidigt aus dem Fenster und raubte mir damit komplett den Verstand. Die Sonnenstrahlen, die auf ihr Gesicht fielen, ließen ihre Haut leuchten und ihr Lächeln, das sie nun aufsetzte, noch strahlender wirken. Sie drehte sich wieder zu mir und schaute mich abschätzend an. In mir rief eine Stimme, dass ich aufhören sollte sie anzustarren. Doch mein Verstand hatte komplett ausgesetzt. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wirkte beschämt. Ein leichtes Rot zeichnete sich auf ihren Wangen ab. Wie konnte ein Mensch nur so perfekt aussehen?
„Hab ich irgendwas im Gesicht?“, fragte sie und fuhr sich mir der Hand über die Wange. Ich schüttelte den Kopf. Zum einen um ihr zu zeigen, dass mit ihrem Gesicht alles in Ordnung war und zum anderen um meinen Verstand wieder zu wecken.
„Wieso starrst du mich dann so an?“, fragte Mina verwirrt.
„Dein Gesicht sah einfach so komplett bescheuert aus.“, meinte ich, ohne darüber nachzudenken. Als ich den Anflug von Verleztheit in ihren Augen sah, hätte ich mir glatt selbst in den Hintern treten können. Wieso hatte ich sowas gesagt? War ich denn von allen guten Geistern verlassen? Wieso hatte ich ihr nicht einfach sagen können, dass sie schlicht und ergreifend atemberaubend ausgesehen hatte? Sie hätte sich gefreut und mir eines ihrer Lächeln geschenkt.
„Schön dass ich dich belustigen konnte“, meinte sie beleidigt.
„Ach Mina, das war nicht so gemeint. Ich wollte dich nur ein bisschen necken.“, versuchte ich mich zu entschuldigen.
„Ist schon ok.“, meinte sie. Doch in ihrer Stimme hörte ich noch immer diesen Unterton, der mit zeigte, dass ihr Stolz angekratzt war.
„Kann ich irgendwas machen, dass du mir vergibst?“, fragte ich. Tatsächlich war ich bereit alles zu tun, worum sie mich bat.
„Geh heute mit mir nach Yeouido.“, sagte sie wie aus der Pistole geschossen.
„Yeouido? Was willst du denn da?“, fragte ich verwirrt.
„Mir die Kirschblüten mit dir anschauen.“, murmelte sie verlegen. Ich schaute sie erfreut an. Ich hatte nicht erwartet, dass ihre Bitte sein würde, Zeit mit mir zu verbringen. Gegen ihren Vorschlag hatte ich nichts einzuwenden.

„Klar“, meinte ich und versuchte meine Stimme nicht ganz so euphorisch klingen zu lassen, wie ich mich fühlte. Nun schenkte mir Mina eines ihrer strahlendsten Lächeln. Mein Herz begann wie wild gegen meinen Brustkorb zu schlagen. Wie schaffte sie es nur immer, mich mit einem einfachen Lächeln so aus der Bahn zu werfen?
„Dann ist es abgemacht, wir fahren heute direkt nach dem Unterricht nach Yeouido.“, meinte Mina fröhlich. Ich nickte nur und konnte mein Glück kaum fassen. Das einzige, was meiner Zeit mit ihr jetzt noch im Wege stand, war dieser endlos wirkende Schultag.

-Nach dem Unterricht-

 

So schnell ich konnte packte ich meine Sachen zusammen. Ich konnte es kaum abwarten aus diesem Gebäude raus zu kommen und Zeit mit Mina zu verbringen. Mina schien sich auch beeilt zu haben, denn als ich mich zu ihr umdrehte, stand sie bereits mit fertig gepackter Tasche da. Bevor ich auch nur ein Wort hätte sagen können, nahm Mina meine Hand und zog mich hinter sich her. Wieso hatte sie es denn so eilig?
„Mina? Wieso rennst du denn so?“, rief ich, während wir durch die Gänge rannten.
„Ich will vor allen anderen an der U-Bahn sein. Es wird auch so schon voll genug sein, da will ich nicht auch noch einen Platz, an dem das Stehen unbequem wird.“, meinte sie atemlos. Ich verstand genau was sie meinte. In einer U-Bahn zu stehen war schon unangenehm. Dann auch noch einen Stehplatz an der Tür abzubekommen, war reinste Folter. Wir beeilten uns also um zur Station zu kommen. Wir hatten Glück und waren einige der Ersten unserer Schule, die an der Station ankamen. Nichtsdestotrotz war die U-Bahn sehr voll. Mina und ich hatten es geschafft einen Stehplatz zu bekommen, bei dem sie sich an eine Wagonwand anlehnen konnte. Als ich merkte, dass sie immer mehr in eine Ecke gedrückt wurde, stellte ich mich direkt vor sie und versuchte sie mit meinem Körper zu schützen. Sie schaute mich dankbar an und meinte: „Heute ist es voller als sonst.“
„Ein wenig“, murmelte ich und wurde mir darüber bewusst, wie nahe wir doch beieinander standen. Ich schaute beschämt aus dem Fenster, wo die Dunkelheit an uns vorbeiflog. Ich wünschte ich könnte Mina immer so nah sein, ohne dabei beschämt zu sein. Es wäre alles so viel leichter, wenn ich ganz natürlich in ihrer Nähe sein dürfte. Doch so war es nun mal nicht. Denn kaum bot sich ein bisschen mehr Platz im Abteil, bat mich Mina darum, ein Stück zurück zu treten. Ich hatte wirklich Mühe meine Enttäuschung zu verbergen. Wieso war ihr meine Nähe unangenehm? War es, weil sie sich zu meinem Bruder hingezogen fühlte? Was sollte ich machen, wenn die beiden sich liebten? Würde ich das verkraften?
Wir kamen an unserem Ziel an und verließen die U-Bahn. Auf dem Weg nach draußen zückte Mina ihr Handy und wählte eine Nummer. Ich schaute ihr verwirrt dabei zu. Wen wollte sie denn anrufen?
„Hallo?... Ja... Wo seid ihr?.... Ah ok.... Wir sind auch gleich da... Ok... Bis gleich.“, meinte sie schnell ins Telefon.
„Wer war das denn?“, fragte ich verwirrt.
„Wirst du gleich sehen.“, antwortete Mina knapp. Sie lief weiter, während ich stehen blieb. Wieso hatte sie schon wieder ein Geheimnis vor mir gehabt? Ich hatte mich wirklich sehr darauf gefreut heute Zeit mit ihr alleine zu verbringen. Aber anscheinend hatte sie das nicht vor gehabt. Als Mina merkte, dass ich ihr nicht mehr folgte, drete sie sich um und schaute mich genervt an.
„Minho, komm bitte einfach nur mit.“, meinte sie flehend.
„Erst wenn du mir sagst, wen wir treffen werden.“, forderte ich.
„Minho, würdest du mir bitte vertrauen?“, flehte Mina.
„Ich will doch nur wissen, mit wem wir uns treffen. Ich dachte wir würden ein bisschen Zeit allein verbringen.“, murmelte ich und konnte den enttäuschten Unterton in meiner Stimme nicht verbergen.
„Ach Minho...“, meinte Mina: „Komm mit und du siehst es. Wir werden heute viel Zeit alleine miteinander verbringen können. Glaub mir.“
Ich schaute sie noch ein mal enttäuscht an, folgte ihr dann jedoch. Wieso hatte ich auch erwartet, dass sie Zeit mit mir allein verbringen wollte? Damit hatte ich mir nur ins eigene Bein geschossen. Aber wieso hatte sie mir nicht gesagt, dass sie nicht mit mir allein sein wollte?

Wir liefen in einen kleinen Park. Mina lief zielstrebig zu einem großen Kirschbaum. Unter dem Kirschbaum konnte ich schon von einiger Entfernung zwei Personen sitzen sehen. Eine von ihnen war Haneul, Minas jüngere Schwester. Die andere Person war mein älterer Bruder. Sofort kochte die Eifersucht in mir hoch. Wieso war er hier? Mina begrüßte alle freundlich. Ich jedoch blieb stehen und schaute meinen Bruder wütend an. Er bemerkte meinen Blick und kam vorsichtig auf mich zu: „Minho, alles in Ordnung?“
„Wieso bist du hier?“, fragte ich direkt.
„Wieso bist du denn so wütend?“, fragte Minsuk.
„Bin ich nicht.“, murrte ich.
„Minho, wir haben das hier alles für dich organisiert.“, meinte Mina plötzlich: „Minsuk hat mir wirklich viel dabei geholfen. Dir ging es in letzter Zeit nicht so gut, da wollten wir dich mit einem Picknick überraschen.“
„Wirklich?“, fragte ich verwirrt. Deswegen hatten sie also in der letzten Zeit die Köpfe so oft zusammengesteckt. Sie hatten diesen Tag für mich organisiert.
„Wirklich. Mina und Haneul haben alles was du siehst gekocht. Weißt du wie lange die beiden gestern in der Küche standen?“, meinte mein Bruder vorwurfsvoll: „Und dann kommst du an und machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.“
„Das wusste ich nicht.“, meinte ich beschämt.
„Ist schon in Ordnung. Jetzt setzt dich erst mal und iss etwas. Danach geht es dir bestimmt gleich besser.“, meinte Haneul und klopfte neben sich auf die Decke. Doch noch ehe ich mich neben Haneul hatte setzten können, hatte sich Minsuk neben ihr auf die Decke fallen gelassen. Als ich ihn verwirrt anschaute, zwinkerte er mir nur zu und deutete Richtung Mina. Ich konnte gar nicht beschreiben wie erleichtert und dankbar ich in diesem Moment war. Erleichtert, weil mir klar wurde, dass zwischen Mina und meinem Bruder nichts lief und dankbar, weil ich das Gefühl hatte, er würde mich unterstützen. Ich setzte mich also neben Mina und ließ mir das Essen schmecken. Tatsächlich merkte ich, wie meine Stimmung immer weiter stieg. Für einen Moment waren die Sorgen und die Enttäuschung vergessen. Alles schien perfekt. Ich war mit den wichtigsten Menschen in meinem Leben zusammen, hatte Spaß und genoß das Wetter. Nach dem Essen verabschiedeten sich Minsuk und Haneul von uns. Beide hatten noch etwas Wichtiges vor. Mina und ich saßen noch ein bisschen auf der Decke, entschieden uns jedoch dafür, einen Spaziergang zu machen. Wir packten alles zusammen und schlenderten durch den Park.

„Noch Mal danke für heute.“, bedankte ich mich.

„Nichts zu danken. Es freut mich, dass du bessere Laune hast. In letzter Zeit warst du immer so, wie soll ich sagen, deprimiert.“, meinte Mina.

„Stimmt.“, gab ich zu. Mir war es wirklich unangenehm, dass ich allen solche Sorgen bereitet hatte.

„Willst du drüber reden?“, fragte Mina einfühlsam.

„Was gibt es da groß zu reden? Ich habe meinen Traum aufgegeben, weil mein Vater gedroht hat mich raus zu werfen, wenn ich weiterhin Fußballer werden möchte. Das reicht glaube ich um einem schlechte Laune zu verpassen.“, entgegnete ich bitter.

„Nimm dir das doch nicht so zu Herzen. Dein Vater meint es bestimmt nur gut.“, versuchte Mina mich aufzuheitern.

„Er glaubt einfach nur, dass ich nicht das Zeug dazu habe.“, sagte ich noch immer verbittert.

Mina schaute mich nur aus großen, einfühlsamen Augen an und sagte kein Wort. Das mochte ich so an ihr. Sie wusste, wann es Zeit war zu schweigen. Andere hätten jetzt weiter versucht mich aufzuheitern. Doch sie wusste, dass kein Wort jetzt hätte helfen können.

 

Wir liefen schweigend nebeneinander her. Es war, als wäre alles positive wieder aus mir herausgesaugt worden.

„Minho schau mal.“, riss Mina mich aus meinen negativen Gedanken. Sie zeigte auf einen kleinen Stand, der am Wegrand aufgebaut worden war. Eine junge Frau verkaufte dort Schmuck. Ich schaute Mina abschätzend an. Wollte sie wirklich Schmuck kaufen? Wie konnte sie jetzt nur an so etwas denken? Ich war deprimiert und sie dachte an Schmuck. Auch wenn ich nicht wirklich begeistert von der Idee war, ließ ich mich von ihr zu dem kleinen Stand ziehen. Die junge Frau hinter dem Tisch begrüßte und freundlich und erzählte uns, wie sie den ganzen Schmuck selbst gemacht hatte. Mina schaute sich die Armbänder neugierig an und meinte dann: „Das hier hätte ich gerne.“

Es war ein Lederarmband mit Federanhänger. Mina bezahlte und nahm dann meine Hand. Auch wenn ich gerade wirklich schlechte Laune hatte, war ihre Berührung ein kleiner Lichtstrahl. Sie war doch eigentlich alles, was ich zum Glücklichsein brauchte. Was machte es, ob ich Fußballer wurde, oder nicht? Wenn sie bei mir war, schien alles in Ordnung zu sein.

Mina legte mir das Armband an und meinte: „Ein Glücksbringer.“

„Ein Glücksbringer?“, fragte ich verwirrt.

„Behalte ihn einfach immer an und erinnere dich daran, wie fröhlich du heute beim Picknick warst.“, meinte Mina und wurde leicht rot. Ich schaute mir das Armband nun ein wenig genauer an. Es war wirklich schön und noch dazu hatte Mina es mir geschenkt. Da konnte ich doch gar nicht anders als Glücklich sein, wann immer ich es trug.

„Warte, ich möchte dir auch ein Armband schenken“, meinte ich nun. Ich schaute mir die Schmuckstücke auf dem Tischchen vor mir noch ein Mal genauer an. An sich hätte ich gerne, dass sie das gleiche Armband wie ich tragen würde. So hätten wir immer etwas, das uns miteinander verbindet. Ich bat die junge Frau also, mir das gleiche Armband zu geben wie Mina. Ich zahlte und legte es Mina sofort um ihr Handgelenk. Wir liefen noch ein Stück weiter, ehe Mina stehen blieb und meinte: „Minho, wenn dich etwas bedrückt, würde ich mir wirklich wünschen, du würdest damit zu mir kommen. Ich möchte dir damit helfen. Egal was es ist, du kannst immer zu mir kommen.“

Ich drehte mich lächelnd zu ihr und verwuschelte ihre Haare: „Ich weiß. Du weißt auch, dass ich immer für dich da sein werde.“

„Wiklich?“, fragte sie verwundert. Wieso überraschte sie das nur so sehr? Sie sollte doch eigentlich wissen, wie viel sie mir bedeutete: „Natürlich. Ich werde immer für dich da sein und auf dich aufpassen. Egal was ist, ich werde dich niemals im Stich lassen. Das verspreche ich dir.“

 

Flashback Ende

 

Als wir am Dorm ankamen, hatte ich mich bereits wieder gefangen. Zumindest schaffte ich es, alleine aus dem Wagen zu steigen und zu den Aufzügen zu kommen. Jinki, welcher immer noch besorgt war, lief neben mir und warf mir immer wieder Seitenblicke zu, um sicher zu sein, dass ich nicht wieder anfing eine Wand zu schlagen. Im Aufzug brach ich das Schweigen: „Hyung, es ist wieder in Ordnung.“

„Sicher?“, fragte er abschätzend. Ich zuckte nur mit den Schultern. Den ersten Schock hatte ich überwunden, also würde es ab jetzt wahrscheinlich bergauf gehen. Immerhin schaffte ich es meine professionelle Maske aufzusetzten. Das war immerhin schon mal ein Anfang.

„Wenn du reden willst, bin ich da. Du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe.“, bot Jinki an.

„Danke.“, bedankte ich mich. Ich spielte tatsächlich mit dem Gedanken, ihm alles zu erzählen. Er war nicht nur unser Leader, sondern auch einer meiner besten Freunde. Wenn ich jemandem vertrauen konnte, dann ihm.

 

Der Aufzug hielt an und wir stiegen aus. Jinki gab den Code in unser Wohnungsschloss ein. Wir betraten unseren Dorm, zogen unsere Schuhe aus und setzten uns ins Wohnzimmer. Jinki ging noch schnell in die Küche und kam wenig später mit einem Tablett voller Snacks und zwei Flaschen Bier wieder.

„So, heute vergessen wir mal unsere Diät und gönnen uns was. Was sollen wir zum Abendessen bestellen? Pizza? Chicken?“, fragte er enthusiastisch. Ich schaute ihn nur verwundert an, war jedoch dankbar dafür, dass er mich nicht alleine ließ. Allein in meinem Zimmer würde ich jetzt wahrscheinlich wahnsinnig werden. Wir entschieden uns für Chicken – was auch sonst – und tranken während wir auf unsere Lieferung warteten eine Flasche Bier.

„Was soll ich nur machen Hyung?“, fragte ich nachdem der Alkohol meine Zunge gelockert hatte: „Sie ist mir so wichtig. Sie wird die Wahrheit einfach nicht verstehen.“

„Du redest wieder wie in deiner Anfangszeit hier.“, meinte Jinki ernst: „Mina hier, Mina da. In deinem Kopf kreist noch immer alles um sie oder?“

„Worum denn sonst? Worum soll sich mein Kopf denn drehen?“, fragte ich verzweifelt: „Ich habe zu lange gewartet oder? Ich habe sie verloren.“

„Glaube ich nicht. Du musst ihr einfach nur sagen wie das damals lief.“, riet mir Jinki.

„Aber...“, wollte ich anfangen.

„Minho, wenn du ihr wirklich wichtig bist und ich glaube, dass du das bist, dann wird sie schon verstehen. Sie wird es zumindest versuchen.“

Noch ehe ich etwas erwidern konnte, hörten wir, wie die Tür geöffnet wurde.

„Ich bin wieder da“, rief Taemin von der Tür aus. Sofort war ich auf den Beinen und sprintete zum Eingangsbereich. Taemin war noch nicht mal richtig drinnen, als ich ihn am Kragen gepackt hatte und gegen die nächstbeste Wand drückte.

„Was hast du ihr gesagt?!“, fragte ich wütend.

„Gar nichts.“, murmelte Taemin verwundert: „Wirklich, ich bin unschuldig.“

„Bist du nicht. Irgendwas hast du ihr gesagt. Wegen dir hat sie mich fallen lassen. Das ist alles deine Schuld“, schrie ich.

„Lass ihn runter!“, rief Jinki, welcher mir gefolgt war: „Das bringt doch absolut gar nichts!“

„Oh doch! Mir bringt das sehr viel!“, schrie ich weiter: „Sag mir jetzt endlich, was du Mina getan hast!“

„Gar nichts! Ich würde ihr nie absichtlich weh tun!“, schrie Taemin nun wütend zurück. Ich schaute ihn wütend an.

„Ganz einfach, ich würde ich nicht weh tun. Niemals!“, schrie Taemin weiter.

„Willst du damit etwa andeuten ich wüde es tun?“, fragte ich.

„Hast du doch schon und jetzt lass mich runter!“, meinte Taemin gereizt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich weiter anschreien würde. Aber nicht damit, dass er mir die Wahrheit ins Gesicht sagen würde. Ich ließ ihn los und schaute ihn einfach nur unverwandt an. Er schaute mir trotzig in die Augen und meinte: „Sie hat auf dem Heimweg die ganze Zeit geweint. Weißt du wie schrecklich es war sie so zu sehen?“

„Ich kann es mir vorstellen.“, murmelte ich.

„Dann mach einfach, dass es nie wieder vorkommt!“, belehrte mich Taemin. Ich schaute ihn noch immer unverwandt an. Wieso war er so darauf aus, dass es Mina gut ging? Was war sein Motiv? Er kannte sie doch kaum. Als ich ein wenig nachdachte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er hatte Interesse an Mina.

„Du... Du bist in sie verliebt?“, fragte ich ihn fassungslos. Taemin schaute mir ernst in die Augen und ohne mit der Wimper zu zucken meinte er: „Ja das bin ich.“

Mir klappte vor lauter Überraschung die Kinnlade runter. Wieso hatte ich nicht früher gemerkt, wie unser Maknae fühlte? Wieso hatte ich die Anzeichen nicht früher bemerkt? Jinki schaute unsicher zwischen uns beiden hin und her. Bisher hatten wir noch nie den Fall gehabt, dass irgendjemand aus der Band auf die gleiche Frau stand. Noch nie waren wir in einer solchen Situation gewesen. Keiner von uns wusste, was er tun sollte. Wieso ausgerechnet Taemin? Wieso ausgerechnet Mina? Wieso ausgerechnet diese beiden?
Ich wusste noch immer nicht so genau, was ich tun sollte. Doch in mir war die Angst, Mina für immer zu verlieren, so groß geworden, dass es sich anfühlte, als hätte ich einen Knoten im Magen. Was sollte ich tun, wenn ich sie an Taemin verlieren würde? Ich hätte sie verloren und doch wieder nicht verloren. Täglich würde ich sehen, wie sie glücklich sein würde. Glücklich ohne mich. Konnte ich das überhaupt verkraften?
„Taemin, bitte nimm sie mir nicht weg!“, flehte ich den jungen Mann vor mir an.
Der Angesprochene seufzte schwer und schaute mich dann mitleidig an: „Minho, ich kann dir nichts wegnehmen, was dir nicht gehört. Ich möchte dir nicht weh tun, aber ich bin auch nicht bereit meine Gefühle für Mina zu verschließen. Die Entscheidung liegt ganz bei Mina.“
„Taemin bitte.“, flehte ich noch ein Mal. Ich schaute ihm in die Augen und sah, dass er nicht nachgeben würde. Er würde kämpfen. Wenn das so war, hatte ich keine andere Wahl. Auch wenn mir klar war, dass ich nicht nur Mina und Taemin, sondern auch mir selbst, weh tun könnte, ich musste einfach um ihre Liebe kämpfen. Aufgeben kam nicht in Frage. Diesen Fehler würde ich nicht noch ein Mal machen.

 

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Comments

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Shurracaro #1
Chapter 8: Oh man deine Geschichte ist soooo genial! Mein Herz rast richtig. Ich freu mich sehr die nächsten Kapitel zu lesen ❤