...somebody is watching!

I swear...!

I swear, somebody is watching!

 

Hyukjae‘s PoV:

Donghae ließ einen langen, erleichterten Seufzer hören, als die Leinwand endlich schwarz wurde, und die Schlussmelodie samt dem Abspann begann.  Es war nicht so, dass er noch nie in seinem Leben einen Horrorfilm geschaut hatte, dafür hatte ich schließlich oft genug gesorgt, aber im Kino, auf dieser gigantischen Leinwand war das scheinbar etwas ganz anderes für ihn. Hier konnte er nicht einfach über den Fernseher hinweg ins Bücherregal schauen und so tun als ließe ihn das Gemetzel völlig kalt. Im Grunde war er gezwungen den ganzen Film mehr oder weniger aufmerksam anzusehen... Ich beugte mich etwas zu ihm herab und flüsterte besorgt „Hey, Hae... alles okay?“

Hae schreckte aus seinen Gedanken und sah mit großen Augen nach vorn. Der Abspann war beinahe zu Ende. Das Kino so gut wie leer. Wir beide waren beinah die letzten.

Er nickte mit zusammengepressten Lippen, ehe er sich langsam von seinem Stuhl erhob und intuitiv nach meiner Hand griff. Seine Handfläche war eiskalt und etwas feucht.

„Ich glaube den nächsten Film schauen wir wieder auf DVD, hm...?“ schlug ich vor und rieb ihm mit dem Daumen beruhigend über die kleine Handfläche.

Wieder bekam ich keine wirkliche Antwort. Nur ein ganz leichtes Nicken, das mir deutlich machte, wie sehr der Film meinen Fischfreund mitgenommen hatte. Ich mein, es war immer noch Donghae, und um ihn so konsequent zum Schweigen zu bringen, wie er es jetzt tat- dafür brauchte es schon einiges. Ich schluckte schwer bei dem Gedanken, für Hae’s unangenehme Lage verantwortlich zu sein. Ich dachte nur, dass ein Horrorfilm das Beste wäre, was man an Halloween im Kino schauen konnte.

Wie kam ich überhaupt auf die Idee, ins Kino zu gehen? Wir hätten zu Hause bei ihm bleiben können, Disneyfilme schauen oder klingelnden Kindern Süßes schenken...

Schuldbewusst sah ich ein weiteres Mal ins Gesicht meines besten Freundes.

Noch immer verschreckt wie ein Welpe.

Leise seufzend griff ich mit meiner freien Hand nach unseren Jacken, warf sie mir über den Arm und trat, mit Donghae dicht auf den Fersen, auf den Gang und schließlich aus dem Kino.

 

Kaum waren wir durch die kleine Drehtür am Eingang getreten, begrüßte uns eine kräftige, eiskalte Böe, die Hae’s Hand in meiner erzittern ließen. Laub wehte raschelnd über die feuchte Straße und der Wind ließ die Bäume laut rauschen. Es muss geregnet haben... und dunkel ist es inzwischen auch geworden.

„Alles sieht aus wie in dem Film.“ Wimmerte Hae plötzlich neben mir und ich sah ihm reuevoll ins Gesicht.

 „Nichts von dem kann uns passieren, also mach dir nicht so viele Gedanken.“ Flüsterte ich ermutigend, und half ihm mit einem geübten Griff in seine zerknitterte Jacke.

„Hm...“

Beim Klange seines Murrens verstärkte sich mein schlechtes Gewissen augenblicklich um das Fünffache.

„Mensch Hae. Keiner von uns beiden hat einen Geist im Haus, okay? Das hättest du schon bemerkt.“

Donghae zog sich die Jacke enger an den Körper und sah mich zum ersten Mal direkt an. Seine Augen noch immer ängstlich und anklagend.

„Können wir einfach... nicht drüber reden?“ fragte er flehend und schob die Unterlippe vor.

„Wie du magst.“ Entgegnete ich leise „Ich dachte das hilft dir vielleicht.“

„Das bringt mich nur dazu, noch mehr drüber nachzudenken.“ Antwortete er leise und ließ seine Hände in die Jackentaschen rutschen „Ich will einfach nur nach-“

Ein schrilles Klingeln aus meiner Hosentasche unterbrach ihn und er schürzte empört die Lippen. Ich hingegen zuckte erschrocken zusammen und zog so schnell es ging mein Handy aus der Hosentasche.

„Meine Mum.“ Las ich stutzig vor und wischte mit dem Daumen das Display sauber.

„Geh ran. Ist sicher wichtig.“ Riet mir Hae halbherzig.

„Dauert nicht lange.“ Versprach ich, strich mir ein paar blonde Strähnen hinters Ohr, ehe ich das  Gespräch schließlich annahm. Mein Blick verweilte ununterbrochen im Gesicht meines besten Freundes, während ich meiner Mutter am anderen Ende der Leitung lauschte.

Donghae unterdessen sah kurz selbst auf sein Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen. Ich beobachtete ihn nebenher, während meine Laune mit jedem Wort meiner Mutter rapide sank. Zwar schwankte ich zwischen genervt und besorgt, aber generell war meine Laune schon im Keller. Sie wollte, dass ich Heim kam.

„Jetzt? Aber-“ meine Mum und Hae’s bohrender Blick ließen mich verstummen.

Der braunhaarige sah mich enttäuscht an. Als wüsste er worum es ging.

 Es herrschte unangenehmes Schweigen, während ich nur weiter lauschte.

Hae  wurde sekündlich nervöser und begann schließlich unbewusst auf seiner Unterlippe rumzuknabbern.

Nach fünf Minuten hatte ich genug gehört.

„Ja.“ Genervt verdrehte ich die Augen und atmete tief aus „Ich komme.“

Augenblicklich hielt Donghae die Luft an und mein schlechtes Gewissen schien in dem Moment mein Herz zu sprengen. Trotzdem musste ich gehen. Ohne eine Verabschiedung klappte ich mein Handy zu und schob es grob in die Tasche.

„Meine Mum braucht zu Hause kurz Hilfe. Ein paar Kids scheinen als Streich unsere Hintertür aufgebrochen zu haben.“ erklärte ich und rieb mir ausweichend den Hinterkopf.

„Wirklich?“

„Hm.“ Brummte ich zurück und fuhr mir übers Gesicht, „bei unserem Nachbar haben sie das wohl auch gemacht, sonst hätte Mum sicherlich ihn um Hilfe gebeten.“

Mit jedem Wort mehr, wurde Donghae’s Blick weicher. Eine aufgebrochene Hintertür war wohl wirklich vorerst wichtiger, als ihr gemeinsam geplanter Halloweenabend. Und ich war insgeheim froh, dass er es verstand.

„Was denkst du, wie lange braucht ihr?“ fragte er schließlich bemüht sorglos und sah auf seine Armbanduhr.

„Keine Ahnung, vielleicht eine Stunde. Wir müssten noch ein älteres Schloss im Keller haben, das sollte für eine Nacht erst mal reichen. Aber du kennst meine Mum, sie hat momentan sicher mächtig Angst vor einem Überfall...“

„Verständlich.“ Murmelte Donghae und schob mit dem Schuh ein paar Steine zu einem Haufen.

„G-gehst du dann jetzt gleich?“

„Ja, denk schon.“ Gab ich nachdenklich zurück.

„O-okay.“

Donghae’s Stimme bebte kaum merklich, trotzdem zwang er sich zu einem kleinen Grinsen. Als ob ich das nicht durchschauen würde...

„Dann seh ich dich hoffentlich nachher.“

„Ich beeil mich.“ Versicherte ich ein weiteres mal und streckte die Arme aus, um Hae zum Abschluss wie üblich zu umarmen.

Dankbar schlang Donghae seine Arme um meinen Hals und drückte seine Nase in meinen Schal.

„Hae, du zitterst.“ Bemerkte ich trocken. Er machte es mir immer schwerer zu gehen. Ich wollte meinen besten Freund nicht so verängstigt zurücklassen.

„...gar nicht.“ Widersprach er augenblicklich und drückte sich fester an mich, wahrscheinlich um das leichte Beben in seinen Beinen zu verdrängen.

„Donghae...“

„Es geht mir gut.“

Ich seufzte kaum hörbar und hob meine Hand um Donghae seicht durch die Haare zu fahren.

„Sei einfach schnell wieder bei mir.“ Bat er und drückte sich von mir.

Kurz sagte keiner von uns beiden etwas, dann beugte ich mich zögerlich ein kleines Stück vor und setze Donghae einen leichten Kuss in die Haare.

 

 

Donghae's PoV

Kurz verinnerlichte ich den Moment, um mich zu beruhigen. Zugegeben, ich war auch ein kleines bisschen stolz auf mich. Darauf, dass meine Stimme wenigstens halbwegs normal klang oder, dass ich normal vor ihm stehen konnte, ohne dass meine Beine vor Angst einknickten. Wobei ersteres nicht ganz so funktionierte. Eigentlich letzteres auch nicht…

„Und wehe du beeilst dich nicht.“, presste ich hervor, bemüht warnend zu klingen. Zur Überzeugung runzelte ich die Stirn. Musste ziemlich schlecht ausgesehen haben, sowie er mich jetzt ansah.

Ich lächelte stattdessen, seinen Blick ignorierend, und sah noch einmal prüfend über meine Schulter hinweg, während ich mich rückwärts von ihm wegbewegte.

„Da ist nichts.“, murmelte er noch einmal beruhigend, als er sich ebenfalls in Bewegung setzte. Ich nickte daraufhin schwach lächelnd und drehte mich erst um als Hyuk es tat. Sich so, vor allem nach solch einem Film zu trennen, war echt grausam!

Es fühlte sich so an, als würde man mir eine Waffe aus der Hand reißen, mit der ich jedes Monster, jeden Dieb und jeden Mörder vernichten konnte. Wobei es doch etwas kurios war, Hyuk mit einer Waffe zu vergleichen. Und je länger ich darüber nachdachte, umso stärker wurde mir bewusst, dass ich nun völlig alleine durch die Straßen irrte.

Ohne Schutz. Man konnte mich im Moment gut mit einem verlorenen Welpen in Vergleich setzen.

Beruhigend atmete ich tief durch und richtete dabei meine Jacke. Suchte nach Beschäftigung. Lenkte mich ab. Die Straßenlaternen, die die Straßen spärlich beleuchteten und wenigstens ein wenig Licht spendeten, erleichterten mir den Weg wenigstens ein bisschen. Und kaum löste sich wenigstens ein bisschen meiner Angst, kam sie dreifach so schnell zurück, als mir eine Szene aus dem Film durch den Kopf schoss.

Mit so einer ähnlichen Straße. Mit ähnlichen Laternen und Lichtverhältnissen. Und ein Opfer, das natürlich nichtsahnend auf dem kalten Asphalt herumspazierte. Meine Schritte verlangsamten sich.

Nur war ich nicht nichtsahnend. Ich würde nicht nur bei meinem Tode leiden, sondern auch davor, weil ich ja schon ne Ahnung habe! Ja natürlich! Ich musste ja diesen bescheuerten Film schauen!

„Kch!“, presste ich zittrig zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „R-reiß dich zusammen, du Weichei.“

Ich legte einen Zahn zu und bog um die Ecke.

„Was soll schon groß passieren? Es kann gar nichts passieren, Hae, also echt. Du machst wieder mal nur umsonst Drama und schiebst Optik wegen eines Films. Mit Schauspielern! Kameras, Drehbuch und so ‘nem Kram!“, redete ich mit mir selbst. Je lauter ich wurde, umso leichter fiel mir das vorankommen. Ich war alleine. Und das würde ich die nächsten paar Straßen weit auch sein, bis ich zu Hause war. Genau!

Keine grausamen Mörder oder – hiaaa!

Äußerlich zuckte ich nur minimal zurück, als der Wind die Blätter eines Gebüsches in Bewegung brachte, innerlich aber war ich fast vorm durchdrehen!

Ich will nach Hause! In mein Bett und dort warten bis Hyuk da war.

Den Rest des Weges malte ich mir genau aus, was ich tun würde, sobald ich meine Haustüre abgeschlossen hätte. Jedes noch so kleinste Detail rief ich mir bildlich hervor, um so den Film wegzudrängen.

Der Wind war eisig kalt und peitschte mir mehrere Male die Haare ins Gesicht, sodass ich die Augen zusammenkneifen musste und fast die letzte Kurve verpasste, an der ich einbiegen sollte, um nach Hause zu kommen. Eilig bog ich ein und rannte sofort los, als ich mein Haus in Augenschein nahm. Fast schon panisch stolperte ich die wenigen Stufen zur Haustüre hoch und blieb abrupt stehen.

Erschrocken fuhr ich zurück und versuchte das Bild vor mir zu verarbeiten.

Die … Tür war offen. Ohne das ich sie … ohne das ich. … da war.

Komplett paralysiert blieb ich sicher einige Minuten so stehen und starrte gegen das weiße Stück Holz. Und irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein wunderte ich mich über meine eigene Reaktion. So was hatte ich schon oft in Filmen gesehen und ich hatte mir dabei immer ausgemalt wie ich reagieren würde. Schreien. Die Nachbarn rufen. Weglaufen.

Ich tat nichts von alldem. Stattdessen blieb ich wie ein Idiot stehen und hoffte anscheinend auf eine Art Wunder. Irgendetwas, das mich jetzt retten würde. Das mich jetzt beruhigen würde. Eine Erklärung. Irgendwas.

Bedächtig runzelte ich die Stirn. Überlegte mir die nächsten Schritte gut und hob vorsichtig meine Hand, legte sie auf das kühle Holz und drückte die Tür auf.

Und während ich immer besser in meinen Flur sehen konnte, umso panischer wurde ich. Ich stellte mir vor,  wie plötzlich ein Psychopath aus der Dunkelheit schnellt und mir mit der Axt den Kopf durchtrennt. Es reichte auch, wenn er mich nur mit seinen Fäusten verprügeln würde. Allgemein bedarf es nur wenig, um mir Angst zu machen.

Unsicher sog ich scharf Luft ein.

Für einen Moment überlegte ich  umzudrehen. Mir den ganzen Horrorweg noch einmal anzutun und zu Hyuk zu laufen. Mir irgendeine offensichtliche Ausrede einfallen zu lassen,  im Hinterkopf wissend, dass er mich sowieso kannte und deswegen genau wusste,  warum ich aufgekreuzt war.

Quatsch. Sei kein Feigling.

Das war mein zu Hause. Einen Einbruch hätten die Nachbarn sicher bemerkt. Bestimmt. Meine innerliche Überzeugung,  was Aufmunterungen anging,  war miserabel. Statt mich zu beruhigen,  atmete ich nur noch schneller und ich spürte mein Herz bis zu meinem Hals hinauf schlagen. Die Tür war nun weit offen und ich versuchte Umrisse im Dunkeln zu erkennen. Man kannte das doch aus Filmen. Die Opfer schalteten das Licht an und der Mörder wusste sofort, dass jemand im Haus war.

Ich musste klüger sein!

Vorsichtig trat ich einen Schritt nach vorn, beugte mich etwas und sah am Türstock vorbei um die Ecke...

 

Hyukjae's PoV

Als ich mich von Hae abwandte, sah ich nochmal kurz über die Schulter zu ihm zurück, um mich zu vergewissern, dass er auch den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Donghae hatte nämlich das einzigartige Talent, sich sogar auf seinem eigenen Heimweg von Zeit zu Zeit zu verlaufen.

Zu meiner Erleichterung nahm er die richtige Straße und verschwand dann recht schnell aus dem Schein der nächsten Laterne, und somit aus meinem Blickfeld.

„Ach Hae...“ flüsterte ich mitleidig und atmete tief aus. Ich bin Schuld daran, dass du gerade so verängstigt und verdammt nochmal, ALLEIN, durch die Straßen läufst.

Sorge stieg in mir auf, als ich mich noch immer nicht von dem Lichtkegeln losreißen konnte, in dem ich Hae eben noch stehen sah. Er kommt klar. Er kommt bis nach Hause.

Aber was, wenn ihn jemand so sehr erschreckt, dass er wegläuft?

Unbewusst setzte mein rechter Fuß schon an ihm zu folgen, doch ich hielt mich davon ab.

Erst musste ich nach Hause. Meine Mum war zwar nicht mal im Ansatz so schreckhaft wie mein bester Freund, aber trotzdem wollte ich sie nicht länger warten lassen.

Besorgt und völlig in Gedanken zog ich mir die Jacke enger um den Körper und beobachtete abwesend die blassen Wolken, die mir beim Atmen aus dem Mund quollen. Den Klang meiner Schuhe auf der schmutzigen Straße hörte ich kaum, ebenso wenig das Rascheln von Büschen und Bäumen. Alles klang eher schwach, als würde ich Kopfhörer tragen, die die Geräusche um mich herum stumpf klingen ließen, damit ich besser verstehen konnte, was mein Kopf mir gerade sagen wollte.

Etwas Rotes blitze in mein Blickfeld und ich hob neugierig den Kopf. Augenblicklich fanden meine Augen die rote Ampel und ich kam zum Stillstand.

Ich sah nach links und entdeckte eine völlig leere, von riesigen Pfützen übersähte, Straße.

Rechts dasselbe.

„Ich hab keine Zeit.“ Bestätigte ich mir selbst noch einmal nachdrücklich, dann überquerte ich die Kreuzung. Quer, um Zeit zu sparen.

Kurz darauf erreichte ich unsere Torauffahrt, schob die schrill quietschende Eisentür auf und rannte keuchend über den Rasen. Noch beim Rennen griff ich nach meinen Schlüsseln, sperrte die Tür auf sobald ich davor stand, und taumelte schwer atmend in den Flur.

„Mum?“ rief ich mit heiserer Stimme und stützte mich an den Türrahmen um wieder besser zu Luft zu kommen. „Mum ich bin da, wo bist du?“

Als wieder keine Antwort kam, strampelte ich mir gereizt die Schuhe von den Füßen und lief ins angrenzende Wohnzimmer. Meine klamme Jacke landete unterwegs auf dem Sofa und schließlich fand ich meine Mum in der halb beleuchteten Küche. Telefonierend.

„Ich hoffe, du redest mit dem Schlüsseldienst.“

Sie gestikulierte mir ruhig zu sein.

„Mum. Ich hab keine Zeit!“

Wieder bekam ich ein unwirsches Wedeln mit der Hand und spürte, wie sich meine unermessliche Geduld sehr schnell dem Ende neigte.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich wie immer genickt und hätte mir mit etwas anderem die Zeit vertrieben, bis ich gebraucht wurde. Aber heute hatte ich ausnahmsweise mal KEINE Zeit, denn ich wurde schon gebraucht!

„MUM!“ drängte ich und ließ mit dem Lichtschalter das Licht flackern, aber meine Mum reagierte nicht. WAS WAR JETZT BITTE WICHTIGER??

Ich sah sie noch für einen kurzen Augenblick abwartend an, dann riss mein Geduldsfaden und ich stampfte lautstark durch den Flur. „Schön. Geh ich eben allein.“

Ich wusste schließlich wo sich die Hintertür befand. Und ich wusste auch, wo im Keller das Werkzeug stand. Innerhalb von weniger als zwei Minuten hatte ich den Werkzeugkasten nach oben geschleppt und mich vor die Tür gekniet um den Schaden zu betrachten.

Aber ...es gab keinen Schaden. Jedenfalls nicht direkt.  Das Schloss war völlig in Ordnung, aber die Halterung der Tür war fingerdick mit Draht  umwickelt wurden. Logisch, dass sie dann nicht mehr zu ging.

Mit einem flauen Magen zog ich an dem schwarz schimmernden Draht, aber er war zu fest gewickelt.

Zögerlich griff ich nach der Zange und begann die Halterung frei zu machen. Mit Gedanken allerdings die ganze Zeit bei der Frage, wieso das Türschloss nicht kaputt war. Und weshalb ich keine Spuren finden konnte.

Es war fast so, als hätte jemand die Tür von innen geöffnet und dann mit dem Draht verklemmt. Das würde aber bedeuten, dass es kein harmloser Halloweenstreich war. Jemand war in unser Haus und hat das hier so hergerichtet.

Ich bekam eine Gänsehaut und sah verkrampft nach hinten in unseren dunklen Flur. Die Stimme meiner Mutter war verstummt. Pure Stille schwappte mir aus dem Flur entgegen. Ich spürte mein Herz schneller schlagen.

Oh mein Gott. Oh mein Gott. Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Panik durch meine Gliedmaßen bohrte und meinen Atem anhalten ließ. Ich hielt die Luft an und lauschte, während meine Hände krampfhaft die Zange umklammerten.

Als ich von drinnen ein Geräusch hörte stieß ich zischend die Luft aus.

Ich hatte keine Zeit verflucht! Ich musste mich zusammenreißen, das Licht im Flur anschalten und nachsehen ob es vielleicht nur meine Mum war, die etwas umgestoßen hatte.

„Auf drei, Hyukjae.“ Sprach ich mir selbst zu und erneuerte den Griff um die Zange. Mein linkes Bein bewegte sich etwas, ich kam in die Hocke und schließlich stand ich auf weichen Knien, mit dem Rücken zur reparierten Hintertür. Unser Flur war noch immer stockdunkel, doch bei genauerem Hinsehen sah ich ein Licht im Wohnzimmer flackern. Das musste der Fernseher sein, oder?

Ich taste mit dem Ellenbogen hinter mich und zog umständlich, aber leise die Tür ins Schloss. Vor Anspannung war mein Mund völlig trocken und meine Lippen merkwürdig rau. Ich streckte kurz die Zunge aus und befeuchtete meine Mundwinkel. Dann nahm ich meinen Mut zusammen, umfasste die Zange so fest ich konnte und durchquerte den Flur mit sieben langen Schritten. Ich ließ mir keine Zeit weiter zu zögern, sondern riss sofort die Tür zum Wohnzimmer auf, um zu sehen woher das Flackern stammte.

„Hyukjae!“

Ich schwöre, mein Herz war kurz stehen geblieben, als ich eine Gestalt mit Taschenlampe neben dem Sessel erspäht hatte. Selbst jetzt standen mir noch die Nackenhaare zu Berge, aber ich schluckte und fand schnell meine Sprache wieder.

„Was zur Hölle tust du da unten??“

„Ich suche den Sicherungskasten.“ Entgegnete meine Mum unter einem kurzen Keuchen, „Der Strom ist ausgefallen aber ich hatte mein Telefonat noch nicht beendet.“

Das erklärt wieso es im ganzen Haus so dunkel war.

„Okay... ehm. Die Tür ist wieder ganz. Gehst du heute aus?“

„Ja, mit Donghae’s Eltern, schon vergessen? Ihr wolltet doch Sturmfrei haben.“

Siedend heiß fiel mir mein bester Freund wieder ein. Er wartete noch immer. Allein.

„Aber ihr werdet sehen müssen, was ihr macht, ich glaube, dass ganze Viertel hat Stromausfall.“ Sie nahm kurz die Taschenlampe, um mir ins Gesicht zu strahlen und lachte plötzlich beim Anblick meines Gesichtsausdruckes.

„Sag bloß Stromausfall zu Halloween würde dir nicht passen?“ fragte sie neckisch und ich konnte ihr Grinsen förmlich riechen! Aber mir war nicht nach grinsen. So ganz und gar nicht.

Hae allein in einem Haus war das eine. Dazu der Stromausfall schon was ganz anderes. Aber das zusammen an Halloween war für meinen naiven Freund der Weltuntergang.

„Ich muss los.“ Presste ich angestrengt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stürzte Richtung Tür. Ich zog meine Jacke kaum richtig an und auch meine Schuhe hingen mehr schlecht als recht an meinen Füßen, als ich von unserer Veranda direkt in den Garten und im nächsten Zug über den Gartenzaun sprang. Ich wusste schon jetzt, dass ich auf jeden Fall zu spät kam.

 

Donghae's PoV

Zittrig tastete ich mich den Flur entlang. Ich hatte die Hälfte des Weges hinter mir. Es fehlte nicht mehr viel und ich würde in der Küche stehen. Angestrengt atmete ich hektisch aus. Erst jetzt fiel mir auf, dass mir in der dicken Jacke viel zu warm war, seit ich das Haus betreten hatte. Mir war richtig heiß, so konzentriert war ich im Moment.

Meine Augen hatten sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt. Ich konnte meine Umgebung begutachten, ohne unbedingt die Lichtschalter anmachen zu müssen.

Behutsam und so leise wie möglich zog ich mir die Jacke aus und legte sie anschließend auf die Kommode neben mich. Wer weiß, wenn ich wieder raus laufen müsste, würde ich über den Fetzen nur stolpern.

Konzentriert ging ich weiter,  bis ich  problemlos in die Küche blicken konnte. Nichts. Meine stinknormale, altbekannte Küche.

Diese Tatsache sollte mich eigentlich beruhigen, tat es aber nicht. Panisch fuhr ich mir durch mein Haar und krempelte die Ärmel meines Pullovers hoch. In dem Moment spürte ich einen Windzug, der nicht von der Haustüre kam, und drehte mich reflexartig zur Quelle. Ein Stück weiter im Flur war das Fenster offen. Der Wind wehte in regelmäßigen Abständen die Vorhänge durch die Luft.

Eine Gänsehaut zog sich über meine Oberarme und ich runzelte die Stirn.

. . .

Entsetzt schnappte panisch nach Luft.

„ER IST DURCH’S-!“, fing ich an zu schreien, stolperte dabei rückwärts und blieb mit meinem Pullover hängen. In Höllenangst riss ich mich los und fiel fast mit dem ganzen Gewicht auf den Küchenboden hinter mir. Hastig versuchte ich mich mit den Händen irgendwie abzustützen.

„Oh mein Gott!“, schrie ich hysterisch und krabbelte hinter die Kücheninsel. Jetzt hatte ich mich bemerkbar gemacht. Und egal wer hier drin war, er kam entweder durchs Fenster, oder durch die Haustüre. Nein. Das war jetzt egal! Er war hier und ich ebenfalls. Schutzlos.

Mein Herz raste und mir fehlte der Atem, als ich mich mit dem Rücken gegen die Kücheninsel lehnte. Ich bekam keine Luft, es fühlte sich so an, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.

Kurzzeitig kämpfte ich mit den Tränen. Spürte, wie mein Körper aufgebauten Druck loswerden wollte. Ängstlich hielt ich mir die Ohren zu und zog die Beine an.

Beruhig dich, Hae! Bitte. Vielleicht war alles doch nur halb so-

Aufmerksam riss ich die Augen auf. Da war-

da war doch grade ein Geräusch. Schnell schob ich meine Hände von den Ohren und lauschte wachsam. Den Blick starr gegen die Wand gerichtet.  Ich schluckte und hob meinen Kopf etwas an um besser hören zu können.

„Einbildung…?“, war das erste Wort das ich herausbrachte, seit ich mich von Hyuk getrennt hatte und bemerkte sogar selbst, wie verängstigt ich klang.

Mein Atem setzte aus.

Schritte. Das knarren des Fußbodens; wenn man mit Schuhen darauf ging.

„Oh mein Gott…“, hauchte ich angsterfüllt. Den Tränen nahe. Er hatte mich sicher gehört und durchsuchte jetzt das Haus. Seine hektischen Schritte verrieten mir, dass er nach etwas suchte. Und während er anscheinend genau wusste, was er wollte, saß ich nur da. Komplett paralysiert. Eingenommen von meiner Angst, unfähig auch nur einen Finger zu rühren.

So würde ich also sterben. Grausam. In meinen eigenen vier Wänden. Und gerade als ich hörte, wie die Schritte immer näherkamen, meldete sich mein Selbsterhaltungstrieb zu Wort und ließ mich die Pfanne vom Herd reißen.

 

Hyukjae's PoV

„.“ Fluchte ich in dem Moment, in dem ich die stockdunkle Silhouette von Hae’s Haus ausmachen konnte. Es brannte kein Licht, es flackerte keine Taschenlampe. Das Haus lag da, als wären seine Bewohner ausgeflogen, als stünde es schon Jahre leer.

Ich biss die Zähne zusammen und hechtete über die niedrige Hecke in den kleinen Vorgarten meines Freundes. Mein Hosenbein verfing sich kurz im Dornenbusch, mein Atmen stockte in meiner Kehle und ich schaffte es nur mühsam, mich geräuschlos von der Hecke loszureißen.

Pfeifend atmete ich aus, stemmte kurz die Hände auf die Knie und rieb mir mein zerkratztes Schienenbein. Ich sah noch immer kein Licht, nicht einmal ansatzweise.

Mein Blick blieb beim Schweifen an der Haustür offen und ich schluckte trocken. Sie stand weit offen.

Ob er einfach vergessen hatte, sie zu schließen? Oder ...kam er vielleicht nicht mehr dazu...?

„H-“ ich stutzte, und schwieg. Sollte ich nach ihm rufen?

Wieder ließ ich meine Augen unruhig über die dunklen Fenster schweifen. Das unangenehme Gefühl aufkeimender Panik rieselte mir mit jeder Sekunde deutlicher in die Brust. Aber ich konnte nicht kneifen. Ich musste in das Haus. Ich musste nach Donghae suchen.

Plötzlich hörte ich im Inneren des Hauses ein Poltern. Im Bruchteil einer Sekunde legte sich eine gigantische Gänsehaut über meine Arme, griff um meinen Nacken und drückte mir die Luft ab.

Ich bekam kaum mit, wie ich mich mechanisch nach vorne stürzte, als Donghae schrilles Geschrei an meine Ohren drang. Schneller als ich gucken konnte, erreichte ich die Haustür und presste meine Handflächen flach dagegen. Ich drückte sie weiter auf und trat unruhig ein.

Es war wieder ruhig. Dennoch zitterten meine Hände wie Espenlaub. Angst und Adrenalin schoss mir durch den Körper, als ich meinem eigenen Atmen lauschte. Er kam mir laut vor. Zu laut im Gegensatz zur erdrückenden Stille, die im Haus lag.

Aber ich hatte es gehört. Es war eindeutig Donghae gewesen der geschrien hatte.

Eine Diele knarzte unter meinen Schritten und ich ballte die Hände zu Fäusten. Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn und ich musste mit jeder Bewegung dem Drang widerstehen, mich auf dem Absatz umzudrehen und aus der Tür zu hetzen.

„Hae!“ flüsterte ich wortlos. Ich hörte mich selber nicht mehr, zu sehr rauschte das Blut in meinen Adern. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte zu suchen, also beschloss ich dort anzufangen, wo ich die Geräusche vernommen hatte. Seine Küche.

Ich griff nach der Klinke und zog die Tür so weit auf, dass ich grobe Umrisse bereits aus dem Flur heraus erspähen konnte.

Nichts. Keine Menschen Seele. Und zu meiner puren Erleichterung auch keine Anzeichen für einen Kampf.

Ein kleiner Stoß der Erleichterung durchfuhr mich. Allerdings nicht groß genug, um die Angst vor dem, was noch kam, ansatzweise zu tilgen. Zitternd atmend trat ich wieder aus der Küche. Nur noch den Rest vom Untergeschoss. Oder gleich sein Zimmer?

Wieder knarzte eine Diele.

Ich hatte mich allerdings keinen Zentimeter bewegt.

Bevor ich scharf die Luft einziehen konnte, hörte ich hinter mir ein schleifendes Geräusch. Viel zu nah. Viel, viel , viel zu nah!

Ich wagte gar nicht, mich umzudrehen. Stattdessen sah ich einfach nur rot und wollte nach oben fliehen, ich stieß mich kräftig  vom Türrahmen ab und schlitterte den Flur entlang. Doch jäh in dem Moment, in dem ich einen Fuß auf die erste Treppe setzte, traf mich etwas hartes, dumpf am Hinterkopf. Der Aufprall hallte in meinem Kopf wieder, ebenso das gleißende Weiß, was der Schmerz mir auf die Augenlieder drückte. Mir entwich ein Laut, halb stöhnen, halb wimmern und ich spürte wie meine Knie weich wurden. Meine Welt geriet ins Schwanken und mein Griff um das Treppengeländer lockerte sich. Ich spürte die Ohnmacht, die sich langsam über mein Bewusstsein legte. Mein Kopf fühlte sich an wie ein pulsierender Schwamm, der bei jeder Bewegung Wasser verlor.

Ein Fuß bohrte sich unter meine Rippen, um mich auf den Rücken zu drehen. Ich stöhnte als mein Hinterkopf auf die Treppenkante schlug. Mein Gegenüber musterte mich. Soviel erkannte ich durch meine schwindende Sicht. Und ich erkannte den Gegenstand, mit dem er mich niedergestreckt hatte.

Eine schlichte, kleine Bratpfanne.

 

Donghae's PoV

Seit ich die Schritte gehört hatte und die Nachricht, dass wirklich jemand im Haus war, in mein Bewusstsein durchgesickert war, hatte ich nicht mehr geatmet. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Es hätte ein Profi sein können, der etwas von seinem Werk verstand. Und wenn, so einen plötzlichen Angriff hatte er von dem Bewohner dieses Hauses sicher nicht erwartet. Als ich hinter ihm gestanden hatte, malte ich mir aus, wie ich weiter agieren würde, sobald ich ihn niedergeschlagen hätte.

Weglaufen, schreien oder irgendjemanden anrufen, der mir jetzt helfen konnte. Jedoch trat im Moment nichts davon in Kraft. Ich stand einfach nur da. Am ganzen Leib zitternd, die Pfanne immer noch fest in der Hand und auf die Gestalt unter mir starrend. Aus irgendeinem Grund nistete sich ein schlechtes Gefühl in meiner Magengegend ein. Schnürte sich wie Stacheldraht um mein Herz und zog es fest zusammen.

Einen Moment lang stand ich einfach nur da, völlig regungslos, aber mit allen Emotionen, die ein Mensch nur fühlen konnte. Ich wusste nicht, ob ich weinen, lachen oder schreien sollte. Auch das schlechte Gefühl nahm von Sekunde zu Sekunde zu.

Und als ich noch einmal meinen Kopf etwas neigte, um mir die Person unter mir noch einmal anzusehen, traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Oh.mein.Gott!

„Hyukkie!?“, es sollte ein entsetztes Rufen werden, stattdessen formte ich seinen Namen nur mit meinen Lippen. Ehm ehhh!? Ich drehte mich um.

Nein. Erst mal schauen, ob es ihm gut geht.

Erneut drehte ich mich um.

Oder doch den Arzt rufen!? Eh, Nein! Was ist, wenn der Einbrecher, der meine Türe offen gelassen hatte, uns dann etwas antun würde?

Komplett unbeholfen und überfordert beugte ich mich zu ihm herunter und legte die Pfanne beiseite. Seine Augen waren kaum mehr als einen winzigen Spalt breit offen.

„Hyukkie!? Es tut mir leid!“, wimmerte ich schuldig, überlegte, ob ich ihn berühren sollte oder nicht.

„Es tut mir echt total leid! Wirklich! Das musst du mir glauben!“

Sachte legte ich meine Hände an seine Schultern. Ok. Jetzt wollte ich nur noch heulen. Mir egal, ob ich dabei aussah wie ein kleines Baby, oder ob es vor Hyuk war.

„Kannst du mich hören?! Hyukkie!? Hallo!?“, rief ich in Panik in sein Gesicht, gegen die Tränen kämpfend. Verbittert krallte ich meine Finger in den Stoff seiner Jacke. Weggetreten blinzelte er einmal, bewegte sich jedoch nicht.

„Oh mein Gott, wehe du wirst jetzt ohnmächtig!“, es klang mehr wie ein Flehen als wie eine Warnung.

Lass mich nicht alleine! Ich brauche dich! ergänzte ich meinen Satz in Gedanken und beobachtete ihn. Er sah so schwach aus und das war allein meine Schuld. Müde, so als würde er gerade einschlafen, schloss er die Augen und war weg. Ich wusste nicht, ob er von dem, was ich sagte, etwas mitbekommen hatte, oder ob er überhaupt was gesehen hatte.

Frustriert lehnte ich meine Stirn gegen seine Brust.

Gegen all meine Erwartungen würde mein Tod noch viel schlimmer aussehen, als ich dachte. Nicht nur, dass ich sterben würde, nein, Hyuk würde durch meinen Verdienst sterben. Eine Gehirnblutung oder irgendetwas anderes schlimmes. Und wenn nicht, würde ihn der Einbrecher sicher umbringen. Ein Stich in mein Herz folgte, als ich mir das bildlich vorstellte.

Verzweifelt kaute ich an meiner Unterlippe herum. Lauschte Hyuk’s Herzschlag. Er lebte. Und er atmete gleichmäßig. Es erinnerte mich an die Zeiten, als wir oft Ferngesehen hatten, bis einer von uns einschlief und der andere ihn dann ins Bett zerren musste.
 

Ein lautes Poltern von oben ließ mich hochschrecken. Oh nein! Jetzt war es vorbei!

Ich spürte unter meiner Hand Hyuk’s Herzschlag und ich wusste nicht, was mich in dem Moment ergriffen hatte, aber es brachte mich dazu, aufzustehen, und den Blonden so schnell es ging in unsere Besenkammer zu schleifen. Meinetwegen sollte ich draufgehen, aber Hyuk sollte nicht durch meine Dummheit draufgehen!

Mein Zittern verstärkte sich wieder, sodass es eine Ewigkeit brauchte, die Besenkammer von innen abzuschließen. Der Schlüssel schlug mehrere Male daneben auf das Holz oder fiel mir aus der Hand.

Und wenn er eine Axt hatte?! Als ich endlich ins Schlüsselloch fand und absperren konnte, sah ich mich um. Ich hätte ein Messer mitnehmen sollen!

Quatsch!

Ich hätte gar nicht erst das Haus betreten sollen. Zugeben sollen, dass ich Angst hatte. Mit Hyuk mitgehen sollen, Hauptsache nicht hierher. Dumpfe Geräusche drangen an mein Ohr. Kamen sie von draußen? Oder drehte ich jetzt schon völlig durch!? Oder doch von hier drinnen?

Paranoid drehte ich mich mehrmals. Das Weiß der Wände sah mir dabei jedes Mal entgegen. Nichts. Durchatmen.

Ich sah zu Hyuk, der noch immer bewusstlos am Boden lag und kniete mich neben ihn. So lächerlich das klang, auch wenn er gerade unfähig war, auch nur einen Finger zu rühren, beruhigte mich seine Anwesenheit ein kleines bisschen. Mein Körper bestand im Moment darauf, die Fassung zu verlieren, und es fiel mir schwer, ruhig sitzen zu bleiben, ohne irgendwie Druck abbauen zu können.

Also nahm ich Hyuk’s Hand und drückte sie fest zusammen.

Ich konzentrierte mich auf meinen Herzschlag. Das Einzige, das zurzeit am lautesten an mein Trommelfell drang. Ich wollte nicht den Verstand verlieren. Ich wollte ruhig bleiben. Sowie ich es mir immer vorgesagt hatte, wenn ich einen Film geschaut hatte. Wie ich mich selbst immer erinnerte, je nach Situation zu reagieren. Es besser zu machen als die Opfer, die in den Szenen immer qualvoll sterben mussten. Eigentlich sollte mich das etwas entlasten. Stattdessen wurde ich nur noch unruhiger und drückte die Hand des Blonden fester. Klammerte mich an die Wärme, die ich unter meiner Handfläche spüren konnte und biss die Zähne zusammen.

Es verwunderte mich selbst, dass ich so lange einfach nur sitzen konnte, während auf der anderen Seite der Türe wahrscheinlich ein Irrer auf uns wartete. Zittrig atmete ich ein, als bei dem Gedanken wieder eine Welle Angst auf mich zuschoss. Geistig wollte ich mich dem gerade so gut es ging entgegenstellen, als ich ein Stöhnen hinter mir vernahm und meinen Kopf zur Seite drehte.

Hektisch fuhr ich mir durch die Haare und beugte mich über Hyuk, der gerade benebelt die Augen öffnete.

 

Hyukjae's PoV

„Hyukkie?“ dröhnte es in meinem Kopf, zwischen dem penetranten Klingeln meiner Ohren.

„...Hae?“ flüsterte ich und versuchte mich auf die Ellenbogen zu hieven.

„Oh mein Gott, Hyukkie, es tut mir Leid, wirklich! Ich wusste nicht das-“

„Pscht.“

Ich hatte ihm ohne große Beachtung eine Hand auf den Mund gelegt. Ich konnte grad keinerlei Wortschwall ertragen. Außerdem musste er verdammt nochmal leise sein.

Mit einem tiefen Seufzer rieb ich mir mit der anderen Hand über die Augen. Donghae schien den Wink verstanden zu haben, denn er biss sich nur auf die Lippen und sah mich mit großen Augen an.

„..wo sind wir?“ fragt ich unsicher, als sich meine Augen an die Dunkelheit gewohnt hatten, und ich entgegen meiner Erwartungen etwas anderes als die Küche erkannte.

„B-Besenkammer.“ Presste Hae hervor und beugte sich etwas zu mir, um mir eine Hand auf den Kopf zu legen, aber ich hielt ihn davon ab.

„Ich will gucken, ob es blutet.“

Und das fiel ihm jetzt ein?

„Wie lange sind wir hier?“

Hae zuckte mit den Schultern und sah mich noch immer an wie ein getretener Hund. Nur irgendwie ..reuevoller.

„Mir geht es gut.“ Versicherte ich beruhigend flüsternd und rutsche etwas auf dem Boden rum.

„Aber dein Kopf...“

„Mir wurde schon härteres an den Kopf geworfen.“

„Aber-“

„Pscht jetzt.“

Ich hörte ihn laut schlucken, aber dann ließ er das Thema fallen. Ich wusste, dass ihn das noch eine ganze Weile beschäftigen wird, aber ich hatte momentan nicht den Nerv dazu, ihm noch öfter zu versichern, dass es mir gut ging.

Mit halb geschlossenen Augen rieb ich mir unbemerkt von Hae über den Hinterkopf und tastete nach der kleinen, aber deutlich erkennbaren Beule. Ich übte mit dem Zeigefinger sanft Druck aus und plötzlich zuckte mir blanker Schmerz durch die Kopfhaut. Das sollte ich lieber lassen...

Murrend änderte ich etwas meine Position und sah unschlüssig zu meinem besten Freund, der zusammengekauert an der anderen Wand der Kammer hockte und ins leere starrte.

„Magst du zu mir rüber rutschen?“ fragte ich nach einer gefühlten Ewigkeit und Donghae schien aus seiner Trance zu erwachen. Er nickte seicht, stieß sich langsam von der Wand ab und verharrte kurz so, um zu lauschen. Als wir keine Geräusche von außen wahrnahmen, kroch er langsam auf mich zu. Schweigend.

Hae hatte sich direkt neben mich gesetzt und seine Arme fest um meinen linken Unterarm geschlungen, der ihm dadurch in etwas unbequemen Winkel an die Brust gedrückt wurde. Sein Herz schlug schnell und auch sein Atem ziemlich flach.

„Hyukkie. Mir wird schwindelig.“

Ich drehte den Kopf ein Stück und sah das seichte Schimmern auf seiner Stirn.

„Ist dir zu warm?“ fragte ich besorgt und strich ihm über die Wange.

„Hm...“

Ich schluckte. Und befeuchtete mit der Zungenspitze meine ausgetrockneten Lippen.

„Ich bekomme auch kaum richtig Luft...“ Ergänzte er und schob in einem Anflug von Schmollen die Unterlippe vor. Sein Brustkorb senkte sich demonstrativ tiefer als gewöhnlich. Ein Zeichen für zu wenig Sauerstoff im Blut.

Zu wenig... Sauerstoff. Zu wenig Luft. Trockener Mund.

„Hae, wir müssen aus der Kammer.“

Kaum hatte ich das gesagt, festigte Donghae seinen Griff und schüttelte kräftig den Kopf.

„Draußen-“

„Gibt es Luft, die wir brauchen.“ Unterbrach ich ihn und kämpfte mich auf die Beine.

„Aber hier drin-“

„Ersticken wir. Also los.“

„Hyukkie...“

Hae wimmerte widerstrebend, ließ sich jedoch von mir hochziehen.

„Wir rennen einfach aus der Haustür. Okay? Das ist nicht weit. Das schaffen wir.“

„Was, wenn dir schwindelig wird?“

„Wird es nicht.“

Oder? Konnte ich schon richtig laufen? Oder sogar rennen?

Ich biss die Zähne zusammen und atmete tief ein. Es musste sein. Sonst würden Hae und ich hier drinnen das Bewusstsein verlieren.

„O-okay.“

Ich hob den Kopf und sah meinem Freund in die Augen. Ich sah, dass er immer noch Angst hatte, aber er sah besser aus als vorher. Zuversichtlicher.

„Ich mach die Tür auf, und du rennst.“

Er reagierte nicht sofort, also begann ich herunter zu zählen.

„3,2-“

„Was ist wenn du-“

„1! Lauf!“ rief ich so leise ich konnte und zog die Tür auf.

„Hyuk-“

Ich stieß ihm meine Hand zwischen die Schulterblätter und schob ihn grob aus dem Raum. Er drehte den Kopf nach hinten, um noch etwas zu sagen, doch ich schob weiter. Er stolperte, packte ungeschickt den ausgeleierten Saumen meiner Jacke und schlug dann endlich die Richtung zur Haustür ein.

Es dauerte nur den Zehntel einer Sekunde, um zu erfassen, was ich sah. Aber ich hatte keine Zeit zu reagieren.

Die Haustür war geschlossen. Und direkt neben ihr stand jemand, mit dem Rücken zu uns, den Kopf mit einer Kapuze verhangen.

 

Donghae's PoV

Für einen Moment war ich komplett bewegungsunfähig. In meinem Kopf war alles leer. Ich stand einfach nur da und fixierte die Person vor mir, die dieses Mal wirklich ein Fremder war. Nicht Hyukjae, sondern jemand anderes. Unbewusst hatte ich die Luft angehalten und bebte am ganzen Körper. Dieser Augenblick dauerte nur wenige Millisekunden, mir kamen sie jedoch wie Stunden vor.

Ein Ruck. Ich wurde zurückgezogen.

„Lauf!“, rief jemand hinter mir. Es dauerte ewig bis ich realisierte, dass es Hyuk war. Die Person drehte sich bereits um und ich mich auch, als der Blonde meine Hand nahm und mich herumriss. Wir liefen so schnell wir konnten Richtung Treppe. Ich hatte Mühe, mitzuhalten. Meine Knie wurden weich und meine Nerven brachen zusammen.

„Lauf Hae!“, hörte ich ihn erneut, als wir hinter uns Schritte hörten. Oh mein Gott! Bitte, lass uns das jetzt schaffen.

Wir rannten die Stufen nach oben und hätte Hyuk mich nicht ständig, während ich stolperte, an der Hand hochgezogen, wäre ich einfach zurückgeblieben, so unfähig, wie ich im Moment war. Ich kam mir wie ein Klotz am Bein vor. Viel zu langsam. Wobei ich jetzt nicht schnell genug sein konnte. Ich wollte etwas sagen, wenn er uns jetzt doch erwischen würde, dann würde ich es im Himmel sicher bereuen, wenn ich ihm wenigstens nicht Danke gesagt hätte. Immerhin war er immer an meiner Seite.

Ich hörte hinter mir Schritte und gab mich sofort dem Drang hin, mich umzudrehen und mich durchfuhr schon zum dritten Mal heute ein Blitz. Er ist an der Treppe!!

„Hyukkie! Stufen!“, wisperte ich viel leiser, als ich eigentlich wollte. Es war nicht einmal ein anständiger Satz, aber er verstand und mit einem Satz waren wir oben und rannten in mein Zimmer. Das laute Trampeln hinter uns machte mich komplett irre und ich stolperte noch einmal.

„Hae!“ Erneut musste er mich hochziehen. Herrgott, lass mich einfach liegen. Ohne mich bist du viel schneller und würdest das Ganze sicher überleben. Blitzschnell riss er die Türe in mein Zimmer auf und schob uns Beide hinein. Ein lauter Knall, und die Tür war zu. Laut atmend lehnten wir uns gegen sie.

„Wo ist der Schlüssel!?“ Hyuk hatte sich schon wieder umgedreht und suchte. Das Ganze ging mir viel zu schnell. Das war zu viel auf einmal.

„Normalerweise steckt er immer!“, erwiderte ich panisch. Und suchte ebenfalls.

„WO legst du ihn sonst hin!?“, schrie er jetzt schon und suchte an meinem Nachttisch.

„Ich.weiß.es.nicht! Er steckt immer!“, rief ich genauso laut und suchte in den Regalen, schmiss alles zur Seite, das mir nicht weiterhalf. Die lauten Schritte vor der Türe ließen mich innehalten.

„Wir werden sterben.“, flüsterte ich. Den Tränen nahe. Das war es jetzt also. Hätte ich nicht so dumm gehandelt und Hyuk zusammengeschlagen, wäre das bestimmt gar nicht erst passiert. Das ist alles nur meine Schuld.

„Nein, das werden wir nicht!“, hörte ich meinen besten Freund hinter mir.

„Oh doch!“, wimmerte ich und drehte mich in seine Richtung. „Er wird uns töten, das war es jetzt!“, schluchzte ich und spürte zwei Hände an meinen Schultern.

„Beruhig dich, Hae, er weiß nicht mal, in welchem Zimmer wir sind.“, redete er auf mich ein und deutete Richtung Tür. Aufmerksam lauschte ich. Die Schritte von draußen wurden langsamer. Es erinnerte mich an die Szene von vorhin, als ich Hyuk’s Schritten gelauscht hatte und fälschlicherweise dachte, er wäre der Einbrecher.

„Er wird uns trotzdem finden! Er hat bestimmt eine Waffe… und- und...“, stotterte ich zum Schluss hin gedämpft gegen seine Brust, als er mich an sich drückte. Mein Körper bebte und ich konnte mich nicht zur Ruhe zwingen. Dabei war ich in Hyuk’s Nähe immer entspannt und ruhiger, selbst wenn irgendetwas passiert war und in seinen Armen erst recht. Aber jetzt wollte mir mein Körper einfach nicht gehorchen.

„Wir schaffen das.“, flüsterte er und ich spürte, dass selbst er zitterte. Sein ganzer Körper war angespannt. Verzweifelt krallte ich mich an seiner Jacke fest, als die Schritte näherkamen und jetzt deutlich hörbar wurden.

Ich presste die Lippen aneinander und sammelte alle Selbstbeherrschung, die ich im Moment aufbringen konnte. Statt auf das Klacken der Schuhe zu hören, lauschte ich Hyuk’s Herzschlag. Es schlug so schnell und laut gegen seinen Brustkorb.

Ich hielt den Atem an und versuchte dem Drang zu widerstehen, aufzusehen. Die Schritte waren jetzt dicht vor unserem Zimmer und man konnte sicher den Schatten vor der Türe sehen. Der Blonde drückte mich fester an sich, sodass ich nichts mehr sehen konnte und ich war ihm unheimlich dankbar dafür. Es auch noch zu sehen, hätte mich sicher durchdrehen lassen. Obwohl ich jetzt auch schon mit den Nerven am Ende war.

Ein leises Klacken ertönte und wir fuhren zusammen. Wieder ein leises Geräusch und ich hielt mir die Ohren zu. Trotzdem hörte ich, wie die Türklinge heruntergedrückt wurde und wünschte mir jetzt nichts sehnlicher, als das mein Herz aussetzen würde. Ich malte mir aus, wie er ins Zimmer rasen würde, uns erschlagen oder erschießen würde. Hyuk irgendetwas antat und DAS …. würde ich nicht verkraften. Ich wartete.

Nichts.

Ich hörte wie sich die Schritte wieder entfernten, hob den Kopf etwas an und versuchte an Hyuk’s Oberarm vorbeizusehen. Fragend sah ich in sein Gesicht. Nachdenklich erwiderte er meinen Blick und drehte seinen Kopf Richtung Tür.

„Was hat e-“

„Ich weiß es nicht.“, unterbrach er mich leise und sein Griff lockerte sich.

 Und als er von mir los ließ, bemerkte ich eigentlich erst, wie er reagiert hatte. Wäre der Typ jetzt wirklich ins Zimmer gestürzt, hätte er Hyuk zuerst gehabt und nicht mich, sowie er mich festgehalten hat. Und ich Idiot würde es nicht verkraften, wenn ihm jemand etwas antun würde? Ich stehe selbst nur dumm da wie ein Depp. Komplett unfähig.

„Warte...“, flüsterte ich und packte seinen Ärmel als er nachsehen wollte. „Was ist, wenn es eine Falle ist?“, besorgt runzelte ich die Stirn.

„Ich seh nur kurz nach.“, erwiderte er genauso leise wie ich und war in wenigen Schritten bei der Türe angelangt. Kurz hielt er inne und versuchte anscheinend etwas zu hören. Was mich anging, ich hörte gar nichts. Weder Schritte, noch irgendein anderes Geräusch, das den Einbrecher verraten würde. Schließlich hob Hyuk zögerlich die Hand und drückte die Türklinge so leise wie möglich nach unten. Erneut erstarrte er. Zuerst dachte ich, er habe Angst oder etwas gehört, weswegen er jetzt so ruhig wurde, aber als ich auf ihn zuging, lag in seinem Gesichtsausdruck eher etwas Unverständliches. Als würde er eine mathematische Aufgabe ausrechnen und die Lösung stimmte nicht mit der des Lehrers überein.

„Was ist?“

Demonstrativ lehnte er sich noch einmal gegen die Türe und ich verstand. Erschrocken öffnete ich den Mund.

„Er hat uns eingeschlossen?“

 

 

~Unbestimmte Sicht~

Für einen kurzen Moment hatte Hyuk abwesend die Stirn in Falten gelegt. Die Frage, was das solle, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Theorie, dass es nur irgendwelche Teenies gewesen sein könnten, war doch absurd, es ist doch nur eine einzige Person im Haus. Er versuchte ein weiteres Mal, die Tür leise zu öffnen, doch sie bewegte sich kein Stück.

"Ich weiß nicht, was das soll." murmelte er mehr zu sich selbst und ließ die Hand träge von der Klinke rutschen. "Was bringt es denen, uns hier einzukesseln?"

Nachdenklich verzog Hae den Mund und bemerkte, dass sich sein Herzschlag wieder etwas beruhigte. So dumm das jetzt auch war, dass sie hier eingeschlossen waren, es konnte keiner rein und Hyuk war bei ihm.

"V-vielleicht will er spielen oder wartet auf etwas?", murmelte der Braunhaarige schließlich leise und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Er spielt mit meinen Nerven. Und das hasse ich." knurrend ging Hyukjae einen Schritt zur Seite. "Stört es dich, wenn ich das Licht anmache?"

Donghae schüttelte seicht den Kopf, bis ihm einfiel, dass sein Freund das in der Dunkelheit wahrscheinlich nicht sehen konnte.

"Nein, mach ruhig."

"Sie wissen ja eh, dass wir hier sind."

Hyuk's letzter Satz ließ in dem Braunhaarigen ein ungutes Gefühl aufkommen. Ja. Sie wussten es und warteten jetzt wahrscheinlich da draußen auf-

Obwohl Hae wusste, dass sein Freund das Licht anmachen würde, zuckte er zusammen und kniff reflexartig die Augen zu. Das Licht war grell. Er hatte seitdem Film so gut wie keine Lichtquelle mehr zu sehen bekommen. Hyuk hielt sich ebenfalls die Hand vor die Augen und langsam gewöhnten sich beide an die Helligkeit.

"Was zum-?"

Zwei Augenpaare weiteten sich entsetzt, als ihre Blicke auf die Wand über dem Bett des Kleineren fielen. Sie war über und über mit Fotos beklebt. Wild durcheinander, schräg oder auf dem Kopf, zerrissen oder übermalt.

"Sie waren in meinem Zimmer."

Donghae's Stimme bebte vor hochkochenden Emotionen. "Und an meinem Computer. Hyukkie, die haben Bilder, die wirklich nur ich hatte!"

Er starrte auf ein Bild, was vor dem Bett auf dem Boden lag. Zu sehen war der Blonde, grinsend, mit einem Plüschtier im Arm.

Komplett geschockt legte sich Hae die Hand an den Mund. Ihm fehlten die Worte. Sprachlos sah er nun an die Wand mit den tausenden von Bildern.

Darunter viele, die ihm etliches bedeutenden. Er hatte sie abgespeichert gehabt, um sie sehen zu können, wenn sie älter waren. Und er glaubte fest daran, dass selbst nach 40 Jahren Hyuk an seiner Seite stehen würde.

Zittrig atmete er durch den Mund ein, wagte kaum sich zu rühren, während Hyuk einen Schritt näher an die Fotowand trat.

"Hyukkie-", fing der Braunhaarige panisch an, wurde jedoch von seinem Freund unterbrochen.

"Ist dir aufgefallen, dass ich bei jedem Foto mit drauf bin?", seine Stimme klang angespannt. "Sie wissen nicht nur, wer du bist, anscheinend wissen sie auch, wer ich bin, oder hast du nur Fotos von mir auf deinem PC?"

Wäre die Situation eine andere gewesen, wäre Hae sicher wegen Hyuk's Aussage rot angelaufen.

"N-nein." Verunsichert runzelte er die Stirn. Also wurden sie schon seit längerem beobachtet!? Zittrig fasste sich der Braunhaarige ans Herz. Oh Gott. Was machten sie jetzt nur!?

"Was..machen...wir jetzt!?" Schon wieder trieben ihn seine Nerven die Tränen in die Augen. "Sieh dir das doch mal an.", flüsterte er kraftlos und zeigte auf die unheimliche Fotowand, die so viele schöne Bilder beinhaltete und Hae immer aufmuntern konnten, jetzt aber nichts als Panik in ihm auslösten.

"Tief durchatmen." war der erste Vorschlag seitens Hyukjae und seine Brust hob und senkte sich. "Wenn wir jetzt die Nerven verlieren..."

"Hyukkie..."

Schwer ausatmend streckte Hyukjae einen Arm aus und zog sich seinen Freund nah an die Brust. Eine Hand fand wie von selbst das Haar des anderen und er begann ihm langsam über den Kopf zu streichen, den Blick unverwandt über die Bilder gleitend. Das flaue Gefühl, das sich wie ein Blutegel in seiner Brust festgesogen hatte, schlug erneut eine Welle, als sein Blick auf ein Tape auf Donghae's Schreibtisch fiel.

"Ist das von dir?"

Der Braunhaarige überhörte beinahe die Frage seines Freundes. Am liebsten hätte er auf ewig so verharrt. Sollte die Zeit doch seinetwegen stillstehen, ihm doch egal. Dieser Horror sollte nur aufhören.

"Ich..weiß nicht, was?", perplex drehte er seinen Kopf. Aus dem Augenwinkel sah er wie Hyuk auf seinen Schreibtisch zeigte. Eine Zeit lang ließ Hae seinen Blick suchend über den Tisch schweifen, bis er erblickte, was sein Freund meinte.

"Ehm.." Verstört verzog er das Gesicht. "Nein.."

Was hatte das zu bedeuten? Noch mehrere kranke Spielchen? "Lassen wir es einfach, ok ...?", schlug Donghae vor und schloss die Augen.

"Vielleicht will er uns was damit sagen?", schlussfolgerte der Blonde und strich Hae noch einmal sanft über den Rücken, ehe er vorsichtig von ihm abließ und ihm in die Augen sah.

"Es muss ja nicht schlimm sein, wer weiß, vielleicht hast du es nur verlegt gehabt und es da hingelegt."

"Hab ich aber nicht.", konterte der Kleinere sofort.

"Ein Tape wird uns nicht umbringen...", seine Stimme klang beherrscht, als würde er selbst schlimmes ahnen. Hae hätte sicher mitbekommen, wie unruhig sein Freund war, wenn er sich nicht so gegen die Idee sträuben würde.

"Ja und dann ... ", fing der Donghae an und schluckte.“... ist es mit einer Bombe abgestimmt und das Haus fliegt dann in die Luft, sobald wir sie uns anhören wollen."

Hyukjae befeuchtete nachdenklich seine Lippen, Donghae hingegen wischte sich die empfindliche Haut um die Augenwinkel trocken. Er stand so kurz davor in Tränen auszubrechen. So kurz...

"Es sieht völlig normal aus."

"Hyukkie, bitte..."

Doch ein leises Rauschen ließ Donghae die Worte im Hals stecken bleiben.

"Ich will es nicht hören!" presste er schwach hervor und machte Anstalten, die Hände auf die Ohren zu legen. Doch da stoppte das Rauschen abrupt und hinterließ kurzzeitig eine schwache Stille.

>Hae...< unvermittelt ertönte eine leicht verzerrte Stimme und angesprochener schnappte in schierer Panik nach Luft, >...stell dir vor, ich würde neben dir liegen, okay? Dann passiert dir nichts. <

Schon im nächsten Moment vernahm Donghae wie gelähmt seine eigene Antwort auf Hyukjae's tröstende Worte.

"Du bist immer bei mir, ich weiß." sprach er stumm mit und sah in die Augen seines Freundes. Auch Hyukjae schien wie vom Donner gerührt, und war lediglich in der Lage, ungläubig den Kopf zu schütteln.

Entschlossen, die Tränen zurück zu halten, biss Donghae sich auf die bebende Unterlippe, doch trotzdem rollte ihm ein Tropfen nach dem anderen über die Wange.

Ein dicker Kloß hatte sich in seinem Hals festgesetzt. Es nahm ihm direkt die Luft zum atmen. Diese wenigen Sätze hatten gereicht, um ihn den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Tatsache, dass all das Schöne, was sein Leben lebenswert machte auf solche Art benutzt wurde, war grausam.

Grausam, gemein und tief.

. . .

Was das Leben lebenswert machte …

Erneut ertönte eine Stimme aus dem kleinen Gerät und ließ selbst Hyukjae leicht zusammenzucken. Dieses Mal war Hae’s Stimme zuerst zu hören.

>Wie wär’s, wenn du bei mir schläfst? Mit dir wird’s nicht so langweilig~, ohhh- bitte! <

Paralysiert starrte der Braunhaarige nun gegen die Wand, während ihm unaufhaltsam die Tränen über die Wangen liefen. Da hatten sie doch gerade alles für Halloween ausgemacht …

>Manchmal bist du echt verwöhnt, Hae. Gibt es in deinem Leben auch Dinge, die du schätzt!?<

>Ja: Dich.<

Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ein unglaublicher Druck baute sich in seinem Herzen auf, der nicht von ihm weichen wollte.

Innerhalb weniger Sekunden hatte Hyukjae zu Donghae aufgeschlossen und ihm die Arme um den Körper gelegt.

Er wollte dem kleineren Sicherheit spenden, gut zureden und für ihn da sein, um selbst nicht völlig pathetisch zu werden. Doch angesichts der Skrupellosigkeit, ihnen ihre mitgeschnittenen Telefonate vorzuführen, wurde ihm von Sekunde zu Sekunde schlechter.
Er fühlte sich entblößt und offengelegt, fast schon nackt bei der Vorstellung, dass alles was er seinem Freund gesagt hatte, an weitere Hörer geleitet wurde.

Er kniff die Augen zusammen und presste Hae enger an seine Brust. Ein Pfeifen hatte in seinen Ohren eingesetzt, und übertönte ihre Stimmen. Ihr Telefonat von gestern Abend um genau zu sein.

"Hyukkie..." flüsterte Donghae am ganzen Leib bebend gegen seine Brust "Was kommt nach dem nächsten Gespräch?"

"Wir haben nicht nochmal telefoniert." antwortete Hyukjae mit leiser Stimme und ließ den Blick hilfesuchend durchs Zimmer wandern. Er wollte sich nicht ausmalen, was als nächstes kam.

"Es fühlt sich an wie ein Showdown." sprach der kleinere die Gedanken des Blonden aus. "Und ich hab das schreckliche Gefühl, dass sie nur einem von uns etwas antun."

"...wie kommst du darauf?"

"Ich hab das Gefühl, als wollten sie uns mit all dem genau vor Augen führen wie... das..., dass es uns nur zusammen gibt. Das einer-"

"Ohne den Anderen nicht kann."

Im Hintergrund begann ihr letztes Gespräch.

>Also wir sehen uns dann morgen? <, hörte er Hyukjae’s Stimme im Hintergrund aus dem Audiogerät. Der Rest verblasste allmählich und Hae fühlte sich für einen Moment allein. Rund um ihn wurde alles schwarz und plötzlich war er mit sich und seinen Gedanken völlig

. . . alleine.

Alleine. Wann war er das schon? Seit Hyuk in sein Leben getreten war, war er nie alleine gewesen. Sich einsam zu fühlen, war eine seltsam fremde Empfindung für den Braunhaarigen geworden. Abwesend spürte er Hyuk’s Arme, die sich fester um seinen Körper legten, als zuvor.

Was wäre … wenn ...

„Hae?“, hörte er seinen besten Freund am Rande und runzelte die Stirn, als seine innere Stimme damit unterbrochen wurde.

Was wäre wenn er weg wäre? Einfach  … . fort. Könntest …

„Hae?“

 … könntest du damit leben?

„Nein…“, hauchte er gedämpft gegen Hyukkie’s Brust. Seine Augenlider wurden schwerer, dennoch wollten seine Tränen nicht aufhören, über sein Gesicht zu tropfen. Neben all dieser Panik entwickelte sich mit einem Mal unglaubliche Angst. Angst, seinen besten Freund zu verlieren. Und Verzweiflung.

Was, wenn sie den Braunhaarigen am Leben lassen würden und Hyuk töten würden?

„Mhm?“, er spürte den fragenden Blick des Blonden auf sich.

„Ich würde es nicht ertragen, wenn du weg wärst, Hyukkie…“ Erneut wurde sein Körper von einem Beben erschüttert.

„Ich bin doch nicht we-„

„Aber wenn du es wärst. Wenn irgendwas…wenn …. „, er schluckte und versuchte sich zu beruhigen. „wenn.. irgendwas… passieren würde und du dann weg wärst, würde ich in mich zusammenfallen...“

Als er es laut aussprach, kam ihm das ganze nur noch realistischer vor. Das Fehlen von Hyuk würde für ein paar psychopathische Mörder nur Spaß bedeuten, aber für Hae würde es einen Zusammenfall seiner ganzen Welt bedeuten. Nichts wäre dann mehr von Bedeutung.

„Ich habe …. meine ganze Welt um dich gebaut und wenn du nicht mehr da wärst … wäre alles kaputt...“

Hyukjae schnappte ergriffen nach Luft und blinzelte ein paar Mal überfordert.

„Hae-“

„Ich könnte nicht ohne dich...“ fuhr Hae völlig ernst fort und hob langsam den Kopf um seinem Freund geradewegs in die Augen sehen zu können.

Und als ihre Blicke sich sofort fanden, musste Hyuk trocken schlucken, um den Kloß zu überwinden, der drohte sich in seinem Hals zu bilden. Die Augen des Braunhaarigen glänzten im spärlichen Licht der Deckenlampe, bloß ein paar Haarsträhnen die ihm tief ins Gesicht fielen, störten den Anblick. Hyuk schaffte es, den Mund ein Stück zu öffnen, um etwas zu sagen, was diese völlig neuartige Stimmung in der Luft vertreiben könnte, aber er fand keine Worte.

Hae unterdessen ballte die Hände, die immer noch fest die Jacke des anderen hielten, zu Fäusten und machte Anstalten, sich auf die Zehenspitzen zu stellen.

„Hae, warte.“ Brachte der Blonde schließlich unter Mühen hervor, räusperte sich leise und riss den Blick von Donghae’s schönem Gesicht los.

„Nein. In wenigen Sekunden ist es zu spät. Stell dir vor, es wäre mein letzer Wunsch.“ Damit stellte sich der Braunhaarige in zweites Mal störrisch auf die Zehenspitzen. Handbreit von Hyukjae’s Mund entfernt und wartete darauf, dass der andere nachgab.

„Du spielst mit unfairen Mitteln.“ Bemerkte Hyukjae mit dem Hauch eines melancholischen Lächelns auf den Lippen. Er lauschte für einen kurzen Moment dem gemurmelten Abschied, den das Tape durch den Raum klingen ließ, dann wandte er sein Gesicht wieder an Donghae und atmete zitternd aus.

„Mach die Augen zu.“ Wies er Hae leise an und hob die Hände, um sie vorsichtig auf die weichen Wangen des anderen zu legen. Er spürte Hae’s warme Haut auf den Innenseiten seiner Hände, begrüßte das wohlige Gefühl, welches sich von den Stellen an denen er ihn berührte, ausbreitete, und beugte sich schließlich zögerlich ein Stück für Stück nach vorn.

Beinahe instinktiv legten beide die Köpfe etwas schief, dann schloss auch Hyukjae seine Augen und überbrückte die letzten Zentimeter.

Zittrig atmete der Braunhaarige ein, als die Lippen seines Freundes auf seine trafen. Hyuk, seinen besten Freund, auf solch Art und Weise zu berühren, war beinahe ungewohnt. Dieses Gefühl machte es noch komischer. Sie waren sich doch ständig nahe gewesen, warum musste bei Hae immer etwas passieren, damit bei ihm endlich der Groschen fiel?
Ein wenig schüchtern zog er die Schultern etwas hoch, als sie sich langsam wieder voneinander lösten. In seinem Kopf drehte sich alles und auch in seinem Magen kribbelte es aufgeregt. Und als er Hyuk’s Atem noch auf seinen Lippen spüren konnte, malte er sich aus, wie es wohl gewesen wäre, hätte das alles nie stattgefunden. Wie lange hätten sie noch so als ‚beste Freunde’ vor sich hin gelebt?  
Stumm hob der Kleinere seine Augenlider. Fühlte Hyuk’s Stirn an seiner. Seinen Mund, wie er sanft an seiner Wange entlang strich. Unter sein Ohr fuhr und sein Gesicht zwischen Hae’s Schulter und Hals vergrub. Unruhig atmete der Braunhaarige ein, als er seine Hände an Hyuk’s Handgelenke legte, die noch immer sein Gesicht festhielten.
War es nicht immer so gewesen?
Selbst in Situationen wie diesen gab es nur sie Beide. Zwischen ihnen beiden existierte sonst nichts. Da waren nur sie beide und mehr brauchte es nicht, um sich glücklich zu fühlen. Sich vollkommen zu fühlen.
Behutsam schlang Hyuk seine Arme um den Körper des Kleineren. Fühlte Hae’s Hände, wie sie sich seiner Bewegung anpassten und ihn ebenfalls in eine Umarmung zogen.
Allein diese Geste, die Tatsache, dass sie jetzt so dastanden, in einem solch seltsamen Moment der wenige Minuten zuvor noch mit Angst und Verzweiflung gefüllt war, war Beweis genug, dass es für Hae nur Hyuk geben konnte und für Hyuk nur Hae.
Liebe, die einen verzehrte und einen einnahm, ohne dabei Schaden anzurichten. Aufgeregt spürte Hae den lauten Herzschlag seines Freundes und strich ihm über den Rücken.
Nein.
Was den Braunhaarigen anging, in seinem Herzen hatte sich schon lange diese Liebe festgesetzt. Sie war stets präsent gewesen und hatte sich von den schönen Momenten mit Hyuk genährt. War gewachsen und es hatte nur ein Schubser gereicht, um das ganze wie einen Wasserballon platzen zu lassen.
Langsam öffnete der Braunhaarige den Mund.
„Ich glaube-„, erschrocken zuckte er zusammen, als er ein Klopfen von der anderen Seite der Türe vernahm. Reflexartig riss der Blonde seinen Kopf hoch und lauschte. Mit einem Schlag war die Angst wieder da. Und obwohl sich wieder alles in seinem Inneren verkrampfte und zusammenzog, beendete seine innere Stimme den angefangen Satz in seinem Kopf.
Ich glaube, ich liebe dich.
Mit einem Ruck wurde Hae herumgerissen und hörte erst jetzt, dass sich das Klopfen zu einem lauten Hämmern entwickelt hatte.
Ich liebe dich, Hyukkie. Und ich werde dich hier nicht sterben lassen.
„Er wird uns umbringen!“, panisch ließ er sich von Hyukjae mitziehen und beobachtete ihn dabei, wie er das Fenster öffnete.
Misstrauisch runzelte er die Stirn.
„Hyukkie, nein.“, kam es kopfschüttelnd von Hae. Er würde garantiert nicht da raus springen!
„Doch!“ Presste Hyuk mühsam hervor als er mit einem Fuß auf das Fensterbrett trat.
„Nein ganz bestimmt nicht.“
„Doch Hae, mach schon!“
„Nein!“, ängstlich zog der Braunhaarige die Schultern hoch, hörte im Hintergrund wie hektisch die Türklinge mehrmals hinunter gedrückt wurde.
„Hae, du kommst jetzt!“, rief der Blonde jetzt mit mehr Nachdruck, sah wie sein Freund zurücktreten wollte und bekam ihn noch rechtzeitig am Oberarm zu fassen.
„Hyuk-!“, stieß der Kleinere ruckartig hervor und wurde auf das Fensterbrett befördert.
„Wir springen in den Pool und-„, fing Hyukjae an, wurde jedoch von Hae unterbrochen.
„Nein! Garantiert ni-„, erschrocken schnappte er nach Luft als er ein Stück nach vorne gezogen wurde.
„Hyukkie! Nicht!“, presste er angstvoll hervor, als sie noch einen Schritt nach vor traten. „Bitte nicht! Hyukkie, Hyukkie nicht!“
Hinter sich hörte er, wie die Tür aufgerissen wurde und der Blonde sprang, riss seinen Freund mit und mit einem Satz waren sie in der Luft. Am Rande spürte Hyuk, wie Hae's griff um seine Hand fester wurde. Paralysiert hielt Hae den Atem an und im nächsten Moment waren sie unter der Wasseroberfläche.
Eiseskälte umgab sie. Die Kleidung klebte an ihren Körpern und wog plötzlich Tonnen, weswegen sie Mühe hatten, überhaupt wieder auftauchen zu können.

Die Poolplane war durch ihren Aufprall unter ihnen zerrissen und dümpelte nun langsam auf den algenüberzogenen Boden.

Als Hae mit dem Kopf durch die Wasseroberfläche stieß schnappte er gierig nach Luft. Seine Füße berührten den Boden nicht, weswegen er mühsam mit den Armen rudern musste um nicht wieder unterzugehen.

„Hae-“ hörte er Hyukjae neben sich Keuchen „Alles ok?“

Angesprochener nickte seicht und holte ein weiteres Mal tief Luft. Die Eiseskälte des Wassers schien seine Lunge zu lähmen und sich mit jedem Augenblick tiefer in seine Gelenke zu ziehen, und seine Muskeln zu betäuben.

Sein Atmen zog in kleinen Wolken über die kräuselige Wasseroberfläche, als er den Kopf drehte, um nach Hyukjae zu sehen. Dieser sah gebannt nach oben, zum noch offen stehenden Fenster.

„H-hast d-du wen ge-s-sehen?“

Ein verneinendes Kopfschütteln.

„Ich hab das Gefühl-“

Das laute knallen der Eingangstür ließ den Blonden verstummen. Er senkte in Zeitlupe den Kopf vom Fenster runter zu der kleinen Gasse neben dem Haus, an deren Wänden man bereits Schatten erkennen konnte.

„Scheiße!“ schrie jemand kurz bevor er um die Ecke gestolpert kam. Donghae und Hyukjae tauschten unsichere Blicke. Sie waren in der Situation, in der sie sich hätten verstecken müssen, doch der Klang der Stimme ließ sie an Ort und Stelle verharren.

„Seht ihr sie?“
„NEIN VERDAMMT!“
„Hast du eine Lampe? Ich seh nichts!“

„SIE SIND AUS DEM VERDAMMTEN-“

Sie hörten ein dumpfes Geräusch und im nächsten Moment ein schmerzerfüllten Jaulen.

„Kyu du verdam-“

„PSCHT. Ich hab was gehört.“

Seicht schlugen die Wellen gegen den Beckenrand, als Hae, ohne es richtig zu bemerken, näher an den Blonden gedümpelt ist. Doch bei der Erwähnung des Namens fiel beiden Personen im Wasser die Kinnlade runter. Kyu wie in Kyuhyun?

„Oh mein Gott! Sie sind im Pool!!!!“

Fußgetrappel war zu hören und im nächsten Moment steckten drei Personen ihre Köpfe über den Beckenrand.

Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, bohrten sich zwei Hände wie Schraubstöcke in Donghae’s Jacke und zogen ihn mit einem Ruck aus dem Wasser.

„HAE!“

„S-Sungmin? W-was machst du in meinem G-garten? Und s-seid wann hängst du mit-“

„Yesung, hol Hyuk aus dem Wasser. JETZT.“

„Er kann doch selber-“

„JETZT!!“

„Ist ja gut. Okay,...“

Und mit einem Ruck hatte der Schwarzhaarige Hyuk aus dem Wasser gezogen. Besorgt musterten die Drei ihre beiden Freunde, die noch immer perplex nach Luft schnappten und versuchten sich zu beruhigen.
„W-wie kommt ihr-„, fing Hae an, verfiel jedoch in einen kleinen Hustenanfall.
„Naja das ist…“, hörte er Yesung.
„ … etwas kompliziert zu erklären.“, fuhr Kyuhyun fort und verzog etwas schuldig den Mund.
„Wie kompliziert zu erklären!?“, hörte man nun Hyuk fragend, der sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht strich.
Er war komplett durchnässt und der kalte Wind ließ ihn erschauern.
„Vielleicht sollten wir erst mal reingehen.“, schlug Yesung schließlich vor und stand auf.
„S-spinnst du!?“, entfuhr es Hae laut. „Hast du nich gecheckt was da grade eben abging!?“, rief er empört und zeigte auf das Fenster, aus dem sie gerade rausgesprungen waren.
„Da drinnen ist ein psychopathischer Mörder, der darauf wartet uns abzuschlachten und-„
„Chill erst mal. Ich sagte doch, es ist kompliziert zu erklären, deswegen sollten wir reingehen.“, Unterbach Kyuhyun ihn schließlich, stemmte seine Hände gegen den Boden und stand schließlich ebenfalls auf.
„Aber-„
„Hae, da ist niemand außer wir.“, fiel ihm nun Yesung ins Wort, der ihm freundlich die Hand reichte. Verwirrt runzelte der Braunhaarige die Stirn.
„Ja .. wie jetzt .. keiner im Haus?“
Was sollte die Nummer? Gerade verstand Hae gar nichts mehr. Hilfesuchend sah er zu Hyuk, der ebenfalls nur überrascht den Mund verzog. In seinem Kopf schien es zu rauchen.
„Wir sollten jetzt echt reingehen.“, sagte Yesung als er sah, dass Hae keine Anstalten machte, aufzustehen, stattdessen starrte er wie ein verblüffter Affe seine drei Freunde an.
„Jetzt mal ernsthaft, sonst werdet ihr krank, kommt schon.“, hörte man Kyuhyun der schon die Terrassentür geöffnet hatte und bereits rein ging.  
Mehr automatisch standen die Beiden letzten schließlich auf. Die fragenden Blicke wollten nicht von ihren Gesichtern weichen.
Mühevoll setzte Hae einen Fuß vor den Anderen. Die Kleidung war so schwer und jetzt, wo seine Freunde da waren, ließ der Adrenalinschub nach und seine Muskeln entspannten sich etwas.
In der Gruppe fühlte er sich allemal wohler. Zumindest wenn es um kranke Irre ging, die einen töten wollten.
„Aber was ist, wenn er doch runterkommt und uns alle tötet?“, fragte Hae zur Sicherheit ängstlich nach, als er über die Terrassenschwelle trat.
„Da ist kein Mörder, Hae.“, wiederholte Sungmin sich noch einmal und rollte mit den Augen. Ein leises Klicken ertönte und das Licht war an.
Etwas benebelt blinzelte der Braunhaarige mehrere male, bis er sich an das Licht gewöhnen konnte. Auch Hyukjae schloss für einen Moment die Augen, um das plötzliche Grelle auf sich wirken lassen zu können.
„Oh Gott..seht euch mal die Sauerei an...“, jammerte Hae sofort los, als er den Boden sah. Durch die Pool Aktion und die Tatsache, dass alle wie selbstverständlich mit ihren dreckigen Schuhen durchs Haus liefen, sah der Boden aus wie Sau.
„Deine Mutter wird sich freuen.“, kommentierte Sungmin überflüssigerweise und erntete einen giftigen Blick seines Freundes.
„Kratzbürste.“, erwiderte er auf Hae’s stummen Blick.
Langsam zogen sich alle die Schuhe aus und stellten sie in den Flur. Auch zog sich Hyuk die Jacke aus, die sicher 50 Kilo wog und legte sie ins Bad auf die Waschmaschine. Kurz warf er einen Blick in den Spiegel. Er wirkte ganz schön mitgenommen und das lag nicht nur an seinen nassen Haaren und seiner durchnässten Kleidung. Provisorisch strich er sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„So und jetzt“, fing Hyuk schließlich an, als er wieder das Wohnzimmer betrat und verschränkte streng die Arme vor der Brust.
„Legt die Karten auf den Tisch, ich bin ja mal mächtig gespannt, was ihr zu sagen habt.“
Nervös sahen sich die drei untereinander an, hofften inständig, jemand anderer als sie selbst würde das Wort übernehmen.
„Wollt ihr euch nicht setzen? Oder euch umziehen?“, lächelte Yesung nervös.
„Ohja! Das wär-“, prompt wurde Hae von Hyuk unterbrochen.
„Nein, nein das geht schon, nur raus damit. Habt keine Hemmungen.“, sprach der Blonde mit einem scharfen Unterton.
„Uhh ich glaub, er hat schon ne Vermutung…“, kam es dunkel von Kyuhyun, der einen Schritt zurücktrat. Hyuk sah durch die nassen Klamotten, die eng an seiner Haut klebten und somit seine leichten Muskeln betonten, irgendwie unheimlich aus. Und die – durch das Wasser – dunkelblonden nassen Haarsträhnen, die ihm vereinzelt ins Gesicht fielen, ließen ihn noch finsterer wirken.
„Also .. ehm...das waaaaar soooo…“, fing Sungmin schließlich gestreckt an und spielte nervös mit seiner Jacke.
„Wir h-haaaaaben...“,
„Uns was ausgedacht.“, ergänzte Yesung schnell und grinste unschuldig. Ernst hob der Blonde eine Augenbraue und sah seine drei Freunde weiterhin durchdringend an.
„Habt ihr den Mörder etwa aus dem Haus gelockt?“, riet Hae neugierig. Seufzend fasste sich Kyuhyun an die Stirn, während Sungmin hinter ihm zu kichern anfing.
„Ja was!?“, beleidigt legte der Braunhaarige die Stirn in Falten, da er sich doch ziemlich verarscht vorkam.
„Es.gibt.keinen.Mörder. Der hat nie existiert.“
„Woher wollt ihr das wiss-„
„Weil wir die ganze Zeit hier waren, ok!?“, unterbrach Yesung ihn ungeduldig.
„Selbst als du Hyuk mit der Bratpfanne erschlagen hast, waren wir high live dabei.“
Mehr als verwirrt stutzte Hae und sah zum Blonden, der anscheinend schon mehr Durchblick hatte, als er selbst.
„Wir dachten es wäre eine gute Idee.“
Das tiefe einatmen von Hyuk ertönte nun quer durch den Raum und ließ alle verstummen. Als hätte jemand laut bei einer Veranstaltung gepfiffen, um so seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nur mit dem Unterschied, dass bei Hyuk momentan auch ein leises Piepsen gereicht hätte.
„Also soweit ich das verstanden habe und korrigiert mich, wenn etwas davon falsch interpretiert sein sollte, habt ihr euch den ganzen Schwachsinn einfallen lassen?“, wiederholte der Blonde und suchte Bestätigung in den Gesichtern seiner Freunde, die zögerlich anfingen zu nicken.
„Ein Einbrecher, Mörder was auch immer, hat nie existiert, Schrägstrich ihr wart das?“
Erneut ein stummes Nicken.
„Whoaaa….“, kam es nun von Hae, um den sich bereits eine dunkle Aura breit gemacht hatte. Finster starrte er seine drei Freunde an. Das er sich so hat demütigen lassen, kratzte mit gewaltiger Kraft an seinem Stolz. Und dieser war ihm heilig.
„Ihr seit solche…. asoziale Penner echt...“, murmelte er gereizt.
„Nein, warte Hae, wir haben das nicht nur gemacht, um euch zu erschrecken sondern-„
„Ey und die Bilder alleine schon! Ihr wart an meinem Computer!“
„Ja, das tut uns leid!“, verteidigte sich Kyuhyun sofort. „Aber-„
„Und das Tape….Whoaaa!!!“
Gleich würde er explodieren oder alle in Fetzen reißen.
„Das tut uns auch leid aber-„
„Wie konntet ihr nur!?“, unterbrach ihn der Braunhaarige erneut. Er konnte es nicht fassen. „Ey ihr seit meine Freunde, ihr wisst wie ich drauf bin und-„
„Grade deswegen haben wir das gemacht.“, rief Yesung hinter ihm. Fragend hob Hae eine Augenbraue. Auch Hyuk sah nun aufmerksam in seine Richtung.
„Ehm ja, wie soll ich sagen? Wir wussten, dass du in Hyuk verliebt bist.“
. . . .
Eine betrügende Stille legte sich wie ein Netz über den Raum und für eine lange Zeit sagte niemand etwas.
Wie …. war …. das .. ?
. . .
„Und das du, Hyuk, auch in Hae verliebt bist.“, brach Kyuhyun die Stille schließlich kleinlaut und sah wieder zu Boden. Unruhig spannte Hyuk sein Kiefer an. Und das hätten sie nicht anders zum Ausdruck bringen können? War wirklich so viel nötig gewesen? Auf der einen Seite fühlte er sich unheimlich hintergangen, auf der anderen Seite aber bewunderte er auf eine Weise das Verhalten seiner Freunde.
Wie konnten sie es schneller bemerken als die Beiden, die eigentlich daran beteiligt waren?
Von den Beiden war es schließlich Hyuk, der zuerst darauf antworten konnte, während Hae noch wie vom Blitz getroffen, einfach da stand.
„Und… das …. hättet ihr nicht auf eine andere Weise regeln...können?“, beherrscht räusperte sich der Blondhaarige.
„Ehm… nein.“ Diese Antwort hatte Hyuk ganz ehrlich nicht erwartet. Und mit welch einer Trockenheit und Selbstverständlichkeit Yesung geantwortet hatte.
„Ganz ehrlich jetzt? Die einzigen, die nicht wissen, dass Hyuk in Hae verliebt ist und umgekehrt, sind Hyuk und Hae.“, stellte Kyuhyun fest und sah beide fast schon ermahnend an. „Und die siebzigtausend anderen Andeutungen wurden eiskalt von euch ignoriert.“, fügte Sungmin noch hintenan, während Hae die Kinnlade herunterklappte.
Holy ! Das würde heißen, sie wussten, was im Zimmer abging! Und- oh Gott!!
Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.  

„Ihr seid unmöglich, echt Leute!“
„Unmöglich ist noch charmant ausgedrückt.“ Murmelte Hyukjae mit einem unfreundlichen Blick und ließ sich geschickt die Jacke von den Schultern rutschen.
„Ich denke, es ist klar, dass wir eines Tages bittere Rache an euch nehmen werden?“
Yesung schluckte beklommen, während Sungmin und Kyuhyun kurze Blicke tauschten.
„Kommt schon“ begann Sungmin zögerlich und zog eine mitleiderregende Schnute, „Ihr wisst, dass wir es nur gut gemeint haben, oder?“
„Bis zu dem Moment, in dem ihr uns dazu gebracht habt, aus einem Fenster zu springen, hätte ich es euch vielleicht geglaubt.“ Antwortete der Blonde kühl und streckte eine Hand nach Donghae aus.
Der schwarzhaarige Seufzte und sah dabei zu, wie Hyukjae den immer noch schmollenden Braunhaarigen aus dem Zimmer die Treppe hoch zog.
Am Treppenabsatz angekommen ließ er Hae’s Arm los und lief weiter den Flur entlang bis zum Zimmer seines Freundes.
„Wir sollten warm duschen und uns ein wenig aufwärmen, Hae. Sonst fangen wir uns eine saftige Erkältung ein.“ Noch während er sprach, hatte er die Tür sanft geöffnet und mit bibbernden Knien das Zimmer betreten. Noch immer sah alles aus wie vorhin. All die Bilder und das Tape. Lediglich das Wissen, dass ihre drei besten Freunde hinter dem Scheiß steckten, hinderte die Gänsehaut daran, sich ein weiteres Mal ihre Rücken emporzustrecken.
„Hyukkie, du kannst Sachen von mir haben.“
„Davon bin ich ausgegangen.“ Erwiderte Hyukjae mit schwachem Grinsen und trat hinter seinen mehr-als-besten-Freund, um ihm über die Schulter hinweg dabei zuzusehen, wie er frische Klamotten für sie Beide aus dem Schrank suchte.
„Pha. Ich hätte dich auch nur im Handtuch stehen lassen können.“
„Hättest du.“
Donghae griff nach einem zweiten Paar Socken und wirbelte herum, da er Hyukjae nicht so nah hinter sich vermutet hatte. Erschrocken fuhr er etwas zurück.
„Hyuk du...“ seine Stimme brach, als er den warmen Ausdruck in den Augen des Anderen bemerkte. Statt etwas zusagen, holte er nun tief Luft und hielt unbewusst die Luft an. Denn Hyukjae war so aus der Nähe, mit all den feuchten Kleidern und nassen Haaren, unglaublich atemberaubend.
Ein frösteln packte Hae’s Schultern und er war gezwungen, wieder auszuatmen, den Blick immer noch fest mit dem des Blonden verbunden, der angesichts der Spannung in ihren Blicken abwesend auf seiner Unterlippe herum biss. Sie erst recht grob mit den Schneidezähnen einfing, und dann immer wieder langsam und anzüglich  hinaus gleiten ließ.
„D-duschen...?“ schaffte es Donghae schließlich hervor zu keuchen, denn momentan wurde ihm allein von diesem Anblick wärmer, als jede Dusche es schaffen könnte.
Ein sachtes Nicken war ein Zeichen der Zustimmung, und der vorsichtige und federleichte Kuss, den Hyuk Donghae auf die Lippen legte, ein Signal zur Tat. Somit griff der Blonde noch in der Bewegung, die ihn so nah an Donghae’s Gesicht gebracht hatte, seine Klamotten aus dessen Armen, lief an ihm vorbei und unterdrückte mit Kräften ein entzücktes Kichern, angesichts der erröteten Wangen des Anderen.
„Nacheinander oder zusammen?“

„N-nacheinander.“

Kaum hatte Hae den Mund wieder geschlossen, hatte Hyukjae den Raum auch schon verlassen und war schnell im Bad verschwunden. Er wollte seinen Freund nicht unnötig warten lassen und eine Erkältung auf jeden Fall verhindern.

Das Glas der Dusche beschlug augenblicklich, als das heiße Wasser aus der Dusche auf Hyukjae’s durchgefrorenen Körper prasselte. Die Versuchung war groß, sich gegen die rauen Kacheln zu lehnen, die Augen zu schließen und sich einfach minutenlang von dem berauschend heißen Wasser einlullen zu lassen, wärmen zu lassen und sich komplett zu entspannen... doch es war nicht die richtige Zeit dazu.

Donghae stand noch immer mit den Zähnen klappernd auf der Türschwelle und presste sich das weiche Handtuch unter das schlotternde Kinn.

„Ich hätte zu erst gehen sollen.“ Murmelte er leise und warf noch einmal einen Blick in sein Zimmer, auf seine Wand mit all den Bildern. Die konnte man zum Glück nun, da man weiß, dass kein bizarrer Serienkiller sie besorgt hatte, wiederverwenden. Eine Collage basteln. Oder Bilderramen damit füllen.

Mit einem Klicken öffnete sich die Badtür und Hyukjae trat, begleitet von einer Wolke Wasserdampf am Boden, auf den Flur. Er rieb sich mit dem Handtuch über das Gesicht und den Nacken, und legte sich das Tuch dann keck um den Hals.

„Du kannst ins Bad.“ Riss er Hae, der noch immer abwesend in sein Zimmer schaute, liebevoll aus den Gedanken. Er hatte ihm die vom duschen erhitzen Handflächen an den Hals gelegt und seinen Kopf so gedreht, dass er ihn direkt ansehen konnte.

„Deine Wangen sind rot.“ Lachte Hae leise und hob die Hand zu Hyuk’s Gesicht, „Und warm... und total weich.“

Der Blonde schüttelte sich leicht unter der kühlen Berührung, zog den Kopf aber nicht zurück.

„Mach dich ins Bad. Ich will nicht, dass du dich erkältest.“ Murmelnd zog er den Braunhaarigen am Nacken etwas zu sich. Soweit, dass er seine Stirn an die des anderen legen konnte. „Und dann kommst du schnurstracks runter ins Wohnzimmer.“

„Wozu?“ fragte Hae augenblicklich und sah Hyukjae aus großen Augen an.

„Bis du fertig bist mit duschen, hab ich die drei Trottel dazu gebracht, uns jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, damit wir ihnen verzeihen.“

Grinsend stupste er seine Nase gegen die eiskalte des Anderen.

„Sei nicht zu hart.“

„Sie haben uns BEIDE zu Tode erschrocken, Hae. Ich kann eigentlich nicht hart genug sein.“

Ein Seufzer ertönte vom kleineren, als er langsam von Hyukjae wegschob und ihn halb geschlagen, halb schelmisch angrinste.

„Bring sie dazu, mir heiße Schokolade zu machen. Das würde mir schon reichen.“

„Aye, Sir.“

Beide Jungs schenkten sich ein scheues Lächeln, dann schob  Hyukjae den Braunen ins Bad und machte sich auf den Weg hinab in die Küche.

Die Treppen knarrten unheilvoll unter seinen lässigen Schritten und verliehen ihm in etwa die bedeutungsvolle Wirkung, die er sich erhofft hatte.

Kurz bevor er den Absatz der letzten Stufe erreichte, hörte er das Gespräch aus der Küche abrupt verstummen. Er runzelte die Stirn, streckte die Schultern und trat mit ausdrucksloser Mine in den Raum.

„Hyuk.“

„Du siehst besser aus.“

„Mit euch alles okay?“

Er erwiderte zu keiner Aussage seiner drei Freunde etwas, sondern ließ sich lediglich abweisend an der Küchenzeile nieder. Sollten sie doch in Unwissenheit schmoren und sich unter der Last ihres schlechten Gewissens krümmen und ächzen!

„Komm schon Hyukjae... was müssen wir machen, damit du uns wenigstens wieder ansiehst?“ erkundiget sich Sungmin und legte eine seiner weichen Hände auf den Arm des Blonden.

„Irgendwas muss es doch geben.“ Yesung klang nicht minder reuevoll, als er seine keinen Hände unruhig in seinem Schoß knetete.

„Kommt schon Leute. Hört auf ihm in den Arsch zu kriechen.“

Eine von Hyuk’s Augenbrauen hob sich und er sah forsch zu Kyu, der die Beine überschlagen hatte und seinen Blick furchtlos erwiderte.

„Er spielt zwar grad Schneekönig, aber ich wette, innerlich ist er uns dankbar.“

„Ach ist das so?“

„Natürlich. Du kannst es sicher nicht erwarten-“

„Lass mich dir was verraten.“ Unterbrach er Kyuhyun und richtete sich etwas auf.

„Stell dir vor, du kommst nach Hause. Der Strom funktioniert nicht. Dein W-LAN funktioniert nicht. Aber etwas in deinem Zimmer piept mechanisch. Oder sagen wir besser... es tickt.“

Kyu runzelte argwöhnisch die Stirn, sagte aber nichts.

„Und sobald du in dein Zimmer gehst, siehst du, dass ich all deine Konsolen mit Zeitschaltuhren versehen habe. Und der Zünder ist nirgends zu sehen. Du hörst lediglich-“

„...ich glaub ich hab es verstanden.“

„-dieses Ticken. Und deine einzige Möglichkeit, an den Zünder zu kommen ist-“

„Ich will es nicht wissen. Okay?“

„Den Entgegner von Starcraft-“

„Hyukjae!“

„SOFORT zu besiegen und dir das ganze Spiel zu versauen!“

Bei der bloßen Vorstellung kringelte sich der rothaarige auf der Couch zu der Größe eines Kissens zusammen. Er zog eine Schnute, atmete wehleidig  und bekam unauffällig einen mitleidigen Blick seitens Sungmin.“Hast du Hae grad mit dem Entgegner von Starcraft verglichen?“ wollte er wissen, ohne den Blick von seinem Leidensgenossen abzuwenden.

„...in etwa.“

„So und nun?“, warf Yesung leise ein, lehnte sich dabei etwas nach vorne und hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

„Und nun macht ihr uns heiße Schokolade, aber das so godlike megagut zubereitet, dass wir selbst nach 2 Jahren noch davon träumen.“, erwiderte Hyuk trocken und zeigte Richtung Küche.

„Ouhja! Ich will auch welche!“, freudig sprang Sungmin auf.

„Nichts da! Ihr verdurstet bis an euer Lebensende!!“, rief Hyukjae ihnen nach und beobachtete sie dabei, wie sich alle zu dritt durch die Tür quetschen wollten.

Die Einzigen, die es nicht wussten, wart ihr beide.

Gedankenverloren senkte er seinen Blick.

Ich wette innerlich ist er uns dankbar.

Kaum merklich schlich sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen.

Er musste schmunzeln.

Idioten.

Was für ein Haufen … weich gewaschener Idioten das doch waren…

„Hyu...kkie?“

Perplex blinzelte er einige Male und sah neben sich. Hae stand schon fertig angezogen neben ihm. Er hatte gar nicht bemerkt, wie er das Wohnzimmer betreten hatte.

„Mhm?“, fragend hob der Blonde die Augenbrauen.

„Wo sind Yesung und alle?“

„Im Garten vergraben.“, antwortete Hyuk sarkastisch, fast mechanisch.

„Haben sie sich gewehrt?“, stieg der Braunhaarige sofort mit ein und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Kyuhyun hat Zicken gemacht.“

„Und was hast du gemacht?“

„Na was wohl?“, erwiderte Hyukjae fast selbstverständlich. „Ich hab ihm mit dem Vorschlaghammer eine mitgegeben, dann war Ruhe.“

Amüsiert schmunzelte Hae.

„Glaubst du, die Polizei kriegt’s raus?“

„Glaub nich. Das Loch ist 5 Meter tief.“

„So schnell in 10 Minuten?“

Lächelnd nickte der Blondhaarige.

Für einen Moment schwiegen sie. Sie standen so nah nebeneinander, dass sich bereits ihre Schultern berührten. Unauffällig sah Hyuk Hae aus dem Augenwinkel an. Bemerkte dabei, dass seine Haare noch etwas feucht waren, aber er jetzt viel besser aussah. Munterer und wieder mehr Hae.

„Warum hast du vorhin so gelächelt?“, fragte der Braunhaarige geradeheraus und sah hoch zu seinem Freund. Ruhig richtete sich Hyuk’s Blick wieder nach vorne. Er wollte sich eine Antwort zurechtrücken, ließ es in letzter Sekunde jedoch bleiben.

Stattdessen lächelte er erneut. Sein Herz sprang freudig auf.

„Was? Sag schon!“, ungeduldig drehte er sich mit dem Körper zu ihm, bekam als Antwort jedoch nur ein Kopfschütteln. Unverständlich runzelte Hae die Stirn.

„Du bist-„

Er verstummte als Hyuk ihn schweigsam ansah. Auf faszinierende Art und Weise einfach nur ansah. Sein Kopf war wie leer geblasen und er bemerkte selbst nicht, wie er langsam den Mund öffnete und Hyuk’s Blick mitgerissen erwiderte.

„Was ist lo-", wollte der Kleinere ansetzen, brach jedoch erneut ab, als der Blonde einen Arm um seinen Nacken schlang und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte.

Entgeistert hielt er die Luft an. Ihm schoss die Röte ins Gesicht und in seinem Bauch kribbelte alles aufgeregt, als er die weichen Lippen auf seiner Haut spürte. Selbst als sich diese von ihm lösten und er jetzt Hyuk’s Wange an seiner spürte, wollte das Kribbeln nicht aufhören. Verlegen spielte er mit seinen Fingern, was eigentlich gar nicht zu ihm passte. Noch einmal drückte Hyuk, Hae an sich, ehe er sich wieder etwas nach hinten lehnte und ihn ansah. Langsam näherte er sich dem Gesicht des Braunhaarigen, der daraufhin die Hände an die Wangen des Blonden legte.
„Hyu-" flüsterte er fast panisch beschämt und beobachtete verwirrt wie sein Freund plötzlich wieder mit dem Kopf zurückfuhr und ihn überlegen von oben ansah. Sofort verzog Hae den Mund.
„Wirst du jetzt auch noch zum asozialen Arsch?“, erwiderte er beleidigt auf den gespielt angedeuteten Kuss und sah wie sich Hyuk auf die Couch setzte.
„Setz dich zu mir, Fischle.“
„Ich trete dir gleich sonst wohin und schmeiß dich zu den Anderen in den Garten.“, sprach der Braunhaarige trocken und hob eine Augenbraue.
„Autsch.“, war das einzige, was sein Freund lächelnd von sich gab. Erwartungsvoll klopfte er neben sich auf den leeren Platz.
„Ich hab dafür gesorgt, dass du gleich heiße Schokolade kriegst.“
„Pah! Von wegen.“ Seinen Stolz wahrend zog er eine Schnute und setzte sich nur widerwillig auf den Platz. Jedenfalls tat er so. Insgeheim konnte er im Moment gar nicht böse auf Hyuk sein. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sein Freund eine Decke über ihre Beine warf und sein störrischer Ausdruck wich von seinem Gesicht.
Vorsichtig legte Hae seine Hand auf die des Anderen, sofort verstand Hyuk und verschlang ihre Finger ineinander.
Jetzt war die Welt in Ordnung.

 

 

 

 

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Comments

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FishFan19 #1
Chapter 1: Wow, die FF ist ja so gut! o.O

Donghae ist SO putzig, wenn er Angst hat^^

psst, Donghae ... BUH!
:P

Nein ehrlich, ich liebe deine FF^^ Was Kyu, Sungmin und Yesung mit denen veranstaltet haben hätte echt ins Auge gehen können *allen dreien Todesblicke send*
Aber wenigstens haben Eunhae kapiert, was sie füreinander fühlen^^

(Und die Szene/Gespräch mit dem Vergraben ist sooooooooooooooo witzig^^) *Sarkasmus nicht mehr aus Sprachgebrauch streichen und auch nicht mehr daraus wegdenken kann*