Chapter One

Eyelight
Dunkelheit. Um mich herum war nichts anderes als Dunkelheit. Egal, wohin ich sah, überall war diese tiefe Schwärze, die mich nicht einmal meine eigene Hand vor Augen erkennen ließ. Aber ich konnte Geräusche hören. Schnelle Schritte und Stimmen, die energisch miteinander sprachen, so hastig, dass ich es sofort aufgab, den Sinn hinter dieser Flut aus Worten zu erkennen. Ich war müde und fühlte mich, als hätte mich eine Herde Elefanten als Trampelpfad benutzt. So erschöpft war ich schon lange nicht mehr gewesen, was jedoch mit einem Schlag verflog, als mir etwas ziemlich merkwürdiges auffiel. Die Personen, die sich in meiner Nähe aufzuhalten schienen, hatten entweder diese undurchdringbare Dunkelheit noch nicht bemerkt oder aber es interessierte sie nicht. Mich persönlich würde es allerdings ziemlich stören, meinen Gegenüber nicht mehr erkennen zu können, und eigentlich habe ich bis jetzt auch geglaubt, dass diese Einstellung mindestens 99% der Weltbevölkerung teilen würden. Doch dies war wohl eindeutig ein Irrglaube. Ich drehte meinen Kopf von einer Seite zur anderen und bemerkte jetzt auch, dass ich wohl in meinem Bett lag. Doch warum roch es in meinem Zimmer nach Desinfektionsmittel? Hatte Jin schon wieder eine seiner Putzattacken bekommen? Dabei wusste er doch genau, dass ich es hasste, wenn jemand meine Ordnung durcheinander brachte. Wobei "Ordnung" wohl eher das falsche Wort für den Zustand meines kleinen Reiches war. Aber hey, ich war ein junger Kerl und mein Chaos war mir heilig! Wobei ich noch erwähnen sollte, dass ich nicht der schlimmste Chaot im Dorm war. Taehyung war eindeutig schlimmer als ich, denn ohne Bulldozer hatte man keine Chance, seine Räumlichkeiten zu betreten, ohne sich das Genick zu brechen oder unter einem Haufen Gerümpel begraben zu werden. Deswegen bekam Taes Zimmer schon ziemlich früh den Beinamen "Danger Zone", worauf der Idiot auch noch ziemlich stolz war. Ich konnte mir ein leises Seufzen nicht verkneifen und meine Gedanken schwankten zurück zu Jin, der meiner Meinung nach schon langsam mit seinem Putzwahn in die Richtung "krankhaft" ging. Wir waren zwar nicht die Ordentlichsten, aber unser Dorm war garantiert auch keine Bakterien-Hochburg, dass unser Ältester hier gleich mit Sagrotan anrücken musste. "Leute, wärt ihr vielleicht so freundlich und würdet das Licht einschalten, wenn ihr schon der Meinung seid, einen verwirrenden Smalltalk in meinem Zimmer zu halten?", erhob ich meine Stimme, um endlich die Aufmerksamkeit meiner Bandkollegen zu bekommen. Dass das wohl eine scheiß Idee meinerseits gewesen war, wurde mir in dem Moment klar, als ich einen netten Hustenanfall bekam. Warum war denn mein Hals so trocken? Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken konnte, bekam ich mit, wie das Stimmendurcheinander plötzlich verstummte und eine unangenehme Stille einkehrte. Ich konnte zwar immer noch nichts erkennen, aber mein Gefühl sagte mir, dass hier irgendwas nicht richtig lief. Ganz und garnicht richtig. Und das mir keiner eine Antwort gab, verhärtete meinen Verdacht nur noch mehr, dass es sich um eine Hiobsbotschaft handeln musste. Das Nächste, was ich mitbekam, war, wie sich jemand auf die Kante meines Bettes setzte und im nächsten Moment fühlte ich heiße zitternde Hände auf meinen. Sie zitterten sogar dermaßen stark, dass die Vermutung in mir aufkam, das der Besitzer dieser Hände wohl ziemlich frieren musste. War irgendwie plötzlich und unerwartet der Winter ausgebrochen, und draußen herrschten Minusgrade weit unter -10° Celsius? Wäre schon ziemlich komisch, denn soweit ich mich erinnern konnte, hatte gerade mal der Juli angefangen. "Hey Yoongi.....", ertönte in dem Moment eine leise, heisere Stimme, die ich jedoch trotzdem sofort zuordnen konnte. Der geheimnisvolle Unbekannte war nicht länger unbekannt. "Hoseok, kannst du mich mal aufklären, warum wir hier im Dunkeln sitzen?", fragte ich meinen Bandkollegen sofort und ohne Umschweife, auch wenn ich mich fragte, warum er so verheult klang. Doch diese Frage wollte ich mir für gleich aufheben, sollte der werte Herr mir mal antworten, denn bis jetzt hatte ich noch keine Erklärung auf das alles bekommen. Hoseok schien es vorzuziehen, mich anzuschweigen, stattdessen klammerten sich seine Finger schon fast schmerzhaft an meine Hände, als suchte er krampfhaft Halt. Aber warum? Was ist passiert? "Hoseok?", sprach ich ihn erneut an und erntete dafür ein leises Schluchzen, was mein Herz sich schmerzhaft zusammenkrampfen ließ. Wenn ich etwas hasste, dann war es definitiv, wenn meine Freunde traurig waren oder weinten, was besonders auf Hoseok zutraf. Ich liebte es, wenn er lachte und mich anstrahlte, pausenlos gute und miserable Witze erzählte oder herumalberte. Die Seite, die er jetzt zeigte, passte nicht zu ihm, und wenn ich ehrlich war, verstörte sie mich zutiefst. "Yoongi.....Du hast fast zwei Wochen im künstlichen Koma gelegen......", brach es in dem Moment aus ihm heraus, und für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, dass er mich verarschen will. Doch bevor ich überhaupt dazu kam, irgendwie zu reagieren, sprach er stockend weiter. "Sie haben dich ins Koma versetzt, weil die Schmerzen für dich nicht mehr zu ertragen waren. Und wir wussten, dass sie recht hatten. Du hast geschrien, als würde man dir langsam und qualvoll die Haut abziehen." Ich hörte ihn schlucken und spürte, wie seine Daumen sanft über meine Handrücken streichelten. Dies war ein typische Geste seinerseits, wenn er jemanden trösten oder beruhigen wollte. Und normalerweise hätte ich es auch genossen, würde meine eigene Unsicherheit nicht langsam aber sicher zu Angst werden. Angst vor dem, was er mir noch zu sagen hatte. "Lass dir zum Teufel nochmal nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!", herrschte ich ihn schließlich mehr oder weniger ungewollt an. Sein Zögern und meine Angst raubten mir langsam den letzten Nerv, von denen ich noch eh noch nie viele besessen hatte, und machten mich allmählich ziemlich wütend. Ich spürte förmlich, wie Hoseok heftig zusammen zuckte und sich leicht verkrampfte, doch es war mir egal. Ich wollte endlich die Wahrheit wissen, auch wenn ich langsam zu verstehen begann, dass sie mir wohl nicht gefallen würde. "Wir..... Erinnerst du dich noch an das Preisausschreiben unseres Managements?" Natürlich erinnerte ich mich. Fünf Fans wurden ausgelost, die einen Tag mit uns verbringen durften. Aber worauf wollte er hinaus? Ich nickte als Antwort, und brauchte auch nicht lange auf die Fortsetzung seiner Erklärung warten. "Wir sind zu dem vereinbarten Treffpunkt gefahren, und dann endete alles in einem Fiasko. Zwei von denen waren Antis und hatten Spritzpistolen, die sie als Geschenk für uns ausgegeben hatten, mit Säure gefüllt. Eine von denen hatte auf mich gezielt, doch dann bist du vor mich gesprungen..... Sie...... Sie hat deine Augen getroffen......" Wieder hörte ich Schluchzen und konnte spüren, wie sein Körper heftig zu beben begann. "Die Ärzte konnten dein Sehvermögen nicht wiederherstellen......." Und ich verstand. Ich war im Krankenhaus......Und ich war blind. Ich konnte nichts mehr sehen ausser Dunkelheit. Und ich würde nie wieder zu etwas anderem fähig sein. Ich zog meine Hände von Hoseok weg und senkte den Kopf. "Geht....... Ich will allein sein.", flüsterte ich, während meine Hände nach oben wanderten und vorsichtig den Verband berührten, der meine Augen bedeckte. Oder besser gesagt, was noch davon übrig geblieben war. "Yoongi.....", hörte ich Hoseok flüstern, der keine Anstalten machte, von meinem Bett aufzustehen geschweige denn die anderen zu schnappen und den Raum zu verlassen. Jetzt gerade war diese sture Hartnäckigkeit ein Fehler. Ein böser Fehler. Auch wenn ich nicht aufstehen konnte, da mich einige Kabel und Schläuche, die an mir befestigt waren, daran hinderten, so konnte ich noch immer schreien. Und das tat ich auch. "VERPISST EUCH VERDAMMT NOCH MAL!!!", brüllte ich mein Gegenüber an, was mich wieder heftig husten ließ. Dann hörte ich Schritte, die näher kamen und im nächsten Moment ertönte Namjoons Stimme. "Lass gut sein, Hoseok. Wir sollten Yoongis Willen akzeptieren und gehen, er braucht Ruhe, um wieder gesund zu werden." Ich widerstand dem Drang, über diese Worte zu lachen. Gesund werden? Dazu bräuchte ich erst mal neue Augen, und ich glaube nicht, dass die Ärzte ein paar Augen in ihren Kitteltaschen mit sich herum schleppten, die rein zufällig perfekt für mich wären und die mein Körper nicht abstoßen würde. Einen Moment geschah nichts, dann jedoch erhob sich Hoseok von meinem Bett und ich konnte seinen Blick auf mir spüren. "Bis Morgen, Yoongi.", flüsterte er und dann hörte ich, wie sich eine Tür öffnete und kurz darauf wieder schloss. Ich war allein. Und mit einem Mal traf mich das ganze Ausmaß dieser Katastrophe wie ein Faustschlag. Nicht nur, dass ich innerhalb eines Moments zum Krüppel geworden war..... Nein, meine Blindheit sorgte auch dafür, dass ich keine Songtexte mehr schreiben konnte geschweige denn Choreographien einstudieren konnte! Kurzum, ich war unbrauchbar geworden. Unbrauchbar für BTS. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und in meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, wollte weinen, doch es kamen keine Tränen. Wie auch? Es war nichts mehr da, was Tränen erzeugen konnte. Dennoch erbebte mein gesamter Körper und ich schluchzte auf, bekam nur am Rande mit, wie die Tür erneut geöffnet wurde und wie ein Arzt zu reden begann. Es wurde etwas an den den Kabeln und Schläuchen gemacht, an denen ich noch immer hing, dann setzte sich das Bett auf dem ich halb lag und halb saß, in Bewegung. Im Moment interessierte mich das jedoch herzlich wenig. Ich wollte einfach nur wissen, was ich verbrochen hatte, dass ich derart bestraft wurde.
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